Livestreams und kein Ende – hr und Oper Frankfurt sind online

Das Beethoven-Jubiläumsjahr hätte eigentlich mit »O Freunde, nicht diese Töne …« ausklingen sollen. Während einer relativen Alltäglichkeit, die in den sonnenverwöhnten Sommermonaten eingekehrt schien, hofften wir Konzert- und Opernliebhaber im September mit der neuen Saison wieder auf eine Art Neubeginn (mit den schon gewohnten Einschränkungen). Diese Wiederkehr dauerte nur ein paar Wochen. Jetzt, zum Zeitpunkt des Erscheinens unseres Magazins, sieht es so aus, als ob wir uns nunmehr an den Gedanken gewöhnen müssten, auf die »freudevolleren und angenehmeren« Töne noch eine Zeit lang verzichten zu müssen. Alles auf Anfang sozusagen: auf vielerlei Weise und nahezu fieberhaft wird versucht, den Hunger nach Musik zu stillen. Kaum verständlich, denn Hygiene- und Abstandsregeln wurden insbesondere in den Kulturhäusern meist peinlich genau eingehalten, negative Auswirkungen sind hieraus nicht nachgewiesen worden …
»Final call: Beethoven« war eine Reihe des hr-Sinfonieorchesters, die in den Nachmittags- bzw. Abendstunden »Rares und Raffiniertes, Profiliertes und Abseitiges zum Abschluss des Beethoven-Jahres – eine finale kammermusikalische Hommage auf den großen Jubilar pünktlich zu seinem eigentlichen Geburtstag« als livestream präsentierte. Ein hübsches Unterfangen, wenn den Musiker(innen) beim Musizieren mit der Kamera schon mal buchstäblich in die Noten oder auf die Finger geschaut wird. Hektische Umbauphasen der Technik und gelegentliche Pannen inklusive. Diese kleinen, oft feinen Petitessen werden sich (auch dank arte als Mitproduzenten) nachsehen und -hören lassen: https://www.hr-sinfonieorchester.de/livestreams/final-call-beethoven,livestream-06-12-2020-100.html.
Unter den geplanten Abo-Konzerten findet man auf den verschiedenen Webseiten immer wieder den Hinweis: wird aktualisiert. Was meint, dass die ohnehin abgespeckten Konzerte auch ab Januar 2021 möglicherweise nur als »livestream« zu erleben sein werden. Es ist deshalb empfehlenswert, sich immer wieder auf der homepage des hr-Orchesters einzuloggen, um sicher zu sein, welcher Weg eingeschlagen wird: https://www.hr-sinfonieorchester.de/konzerte/konzerte-20-21/index.html.

Ähnliche (Aus-)Wege beschreitet die Oper Frankfurt. Zum fünften Mal als Opernhaus des Jahres gekürt, versucht sie, sich mit »Oper zuhause« einem Bildschirm-affinen Publikum zu nähern.
So wurde beispielsweise ein täglicher, musikalischer Adventskalender mit Musiker(inne)n der Oper Frankfurt gestartet, morgens um 8 Uhr – schwer zu sagen, ob so etwas erfolgreich ist: ich jedenfalls müsste mir den Wecker stellen, reibe mir um diese Uhrzeit erstmal die Augen und freue mich, keine weitere »Risiko-Begegnung« gehabt zu haben. Beim ersten Kaffee, nach umständlichen Einrichtungsversuchen auf meinem Bildschirm ist der Spuk meist schon zu Ende (ich gehöre nicht zu den Freaks, denen Technik in die Wiege gelegt worden ist). Für den 14.1. bereitet die Oper die verspätete Premiere »Le vin herbé« (Zaubertrank) des Schweizers Frank Martin vor, das eher intime, kammermusikalische (also zurzeit systemrelevante) Oratorium nach einem mittelalterlichen Tristan-und-Isolde-Sujet vor.
Großes ist geplant für Februar/März. Das Melodram »Fedora« zum Beispiel des Veristen Umberto Giordano, Zeitgenosse der wesentlich erfolgreicheren Komponisten Leoncavallo und Mascagni. Die «Fedora« soll ab 7.2. konzertant über die Bühne gehen. Aufführungen der Verdi-Oper »Luisa Miller« nach dem bürgerlichen Trauerspiel »Kabale und Liebe« sind ab 14.2. geplant. Eine der drei »Schiller-Opern«, von der allenfalls die außergewöhnliche, wie monothematische Ouvertüre gelegentlich den Eingang in die Konzertsäle findet. Avisiert ist auch wieder die grandiose »Salome« von Richard Strauß in der umjubelten Inszenierung von Barrie Kosky (ab 7.2.).
Auch für die Oper Frankfurt empfiehlt sich immer wieder der Blick auf die homepage https://oper-frankfurt.de/de/spielplan, um Änderungen zu erfahren.
Noch viele Anstrengungen der Musikszene wären zu erwähnen, die allesamt versuchen, so etwas wie Kultur am Leben zu erhalten. Für die und uns alle gilt: hoffen wir, dass die derzeitigen gesundheitlichen Maßnahmen greifen und nicht wieder über den 10.1.2021 hinaus verlängert werden müssen. Es ist nicht nur der Hunger nach »Kultur« allein, sondern nach einer Lebendigkeit, die über virtuelle Geisteraufführungen niemals zu erreichen ist.

Bernd Havenstein (Foto: Außenansicht der Oper Frankfurt , © Wolfgang Runkel)

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