Ums nackte Überleben
»All Is Lost« von J.C. Chandor
Es gehört schon viel Mut dazu – und vielleicht auch ein bisschen Selbstüberschätzung –, im fortgeschrittenen Alter allein auf einer Segelyacht über den Indischen Ozean zu fahren. Noch mehr Mut gehört allerdings dazu, darüber einen Film zu machen. Vor allem, wenn sich der Film darauf beschränkt, nur den Teil zu zeigen, in dem sich die Segelpartie in einen Kampf ums nackte Überleben verwandelt hat.
Im Presseheft bezeichnet Produzent Neal Dodson das Projekt denn auch als eine »verrückte Idee«. Es handele sich um einen »existentiellen Actionfilm über einen Mann in Seenot, der gegen die Elemente und sich selbst kämpft«. Dass Hollywoods Naturbursche Robert Redford für diesen Part verpflichtet werden konnte, war eine notwendige Voraussetzung für die Realisierung der »verrückten Idee« von J.C. Chandor.
Dieser Chandor war Redford beim Sundance Film Festival positiv aufgefallen, wo dessen Erstling »Der große Crash – Margin Call« gezeigt wurde. Mit diesem Film war Chandor ein mitreißender, kenntnisreicher Thriller zur Finanzkrise gelungen. Er zeigte einen verschworenen Haufen von Bankern, die, um die Pleite ihrer Bank abzuwenden, in höchster Eile ihren besten Kunden Schrottpapiere verkauften, kurz bevor die Kurse in die Tiefe stürzten. Nun also, nach dem Ensemblefilm, der große Kontrast: ein Film ohne Dialoge über einen Einzelkämpfer, der bedroht ist, in die Tiefe des Meeres gerissen zu werden.
Mit großem Elan beginnt der Film »All Is Lost«: Die Yacht des namenlosen Helden ist von einem im Meer treibenden Container gerammt worden und muss befreit werden. Das Leck, das der Container in den Schiffsrumpf geschlagen hat, muss geflickt werden, das Wasser, das ins Boot gelaufen ist, muss abgepumpt werden. Eine Menge zu tun, also. Auch für Regisseur Chandor, der, um ja keine Langeweile aufkommen zu lassen, uns häppchenweise immer neue Aktivitäten vorführt. Mal ist die Kamera hinten, mal vorne im Boot, mal wird etwas vom Abpumpen gezeigt, mal etwas von der Beseitigung des Lecks. Dann sieht man Redford wieder beim Essen. Aber nie kann man sich von einem gesamten Vorgang ein Bild machen, manches ist sogar unverständlich.
Die Lage des Schiffbrüchigen scheint hoffnungslos, als sich herausstellt, dass die komplette Elektronik an Bord, sei es der Hilfsmotor, der Seefunk oder die Navigation, ihren Dienst versagt. Erneut wird die Yacht leck geschlagen, und der Kapitän muss mit seinen letzten Vorräten auf die aufblasbare Rettungsinsel umsteigen. Anhand einer Seekarte und des verbliebenen Sextanten versucht er, zu einer der Hauptverkehrsrouten zu gelangen, um von einem der großen Container- oder Frachtschiffen gerettet zu werden. Ein Vorhaben, dass sich als noch schwieriger als die Versorgung mit Trinkwasser erweist.
Wie die Sache ausgeht, soll hier nicht verraten werden. Am Ende ist man jedenfalls froh, dass man im Kino festen Boden unter den Füßen hat.