Zwei auf einen Streich
Die älteren Kinobesucher werden sich erinnern: »Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh« war in den 70er-Jahren eine äußerst erfolgreiche französische Agentenkomödie, deren Titel zum geflügelten Wort wurde. Damals bewies Pierre Richard als quirliger Orchestermusiker, der unfreiwillig in eine Geheimdienstaktion geriet, sein komödiantisches Talent. Jetzt mimt er, weißhaarig und etwas ruhiger geworden, einen griesgrämigen Witwer, der zurück ins Leben findet.
Der Einfachheit halber heißt er in dem ihm auf den Leib geschriebenen Film ebenfalls Pierre. Seit dem Tod seiner Frau weigert sich Pierre, seine Wohnung zu verlassen. Auch sonst lässt er sich gehen, wechselt nur auf Drängen seiner Tochter Sylvie (Stéphane Bissot) die Klamotten und hält nicht viel vom Aufräumen. Eben jene Sylvie, selbst Mutter einer herangewachsenen Tochter mit Namen Juliette (Stéphanie Crayencour), versorgt ihn mit Lebensmitteln und ist die Einzige, die noch Einfluss auf ihn hat. Die resolute Frau macht sich Sorgen um ihren Vater, dem das Leben ohne seine Frau nichts mehr bedeutet.
Schließlich kommt sie auf die Idee, Juliettes Freund Alex (Yaniss Lespert) als Lehrer anzuheuern. Er soll Pierre den Umgang mit einem Notebook beibringen und ihn via Internet ins Leben zurückholen. Alex, der als Schriftsteller bisher keinen Erfolg hat, kann das Geld, das er bekommen soll, dringend gebrauchen.
Der Unterricht beginnt vorhersehbar holprig. Pierre ist unwillig, und Alex muss sich in Geduld üben. Es habe ihn gereizt, einen Senior und einen jungen Mann, der sein Enkel sein könnte, vor einem Computer zusammenzubringen, gibt Regisseur Stéphane Robelin zu Protokoll. Richtig Schwung kommt in die Handlung, als Pierre bei seinen »Hausaufgaben« gewisse Dating-Seiten im Internet entdeckt. Die Anonymität des Netzes hilft ihm natürlich dabei, sein wahres Alter und Aussehen zu verbergen, und so bandelt er bald mit der attraktiven Flora an, die von der etwas zu gut aussehenden Fanny Valette gespielt wird. Statt sich per Video erkennen zu geben, schickt Pierre ein Foto von Alex.
Als es zu einem Date kommt, muss dann auch der 25-jährige Alex den betagten Charmeur vertreten, der das Paar im Hintergrund beobachtet. In dem Gespinst von Täuschungen und Lügen, das die beiden Männer produzieren, um ihre Angehörigen zu täuschen und der ahnungslos-naiven Flora zu gefallen, bleibt nichts so, wie es zuvor war. Pierre avanciert zum Lehrer, der Alex nicht nur im Verführen einer Frau unterweist, sondern auch beim Drehbuchschreiben auf die Sprünge hilft. Nebenher verflüchtigt sich die Romanze zwischen Alex und seiner oberflächlichen Freundin Juliette. Die unterschiedlichen Welten von drei Generationen, die Anonymität des Internets (worauf der Originaltitel »Un profil pour deux« anspielt), die Bildung von familienähnlichen Beziehungen – es sind mehrere Themen, von denen, manchmal ein wenig zu reibungslos, diese Komödie handelt. Unverkennbar sind zudem Cyrano de Bergerac, der wegen seiner unförmigen Nase seine Identität verbarg, und französische Verwechslungskomödien Vorbilder für »Monsieur Pierre geht online«.
Autor und Regisseur Stéphane Robelin hat bereits mit »Und wenn wir alle zusammenziehen?« im sich allmählich etablierenden Sub-Genre der Seniorenkomödie Erfahrungen gesammelt. In der fidelen Rentner-WG, die damals gebildet wurde, spielte Pierre Richard den Ehemann an der Seite von Jane Fonda. Und es wird Nachschub geben: Schaut man ins Internet, so befinden sich vier weitere Filme mit ihm in der Produktionsphase. Und sein Regisseur plant seinerseits, demnächst einen alten Anhänger des Front National ins Umfeld illegaler Einwanderer zu verfrachten, was einen an die unvergessene Bernadette Lafont und ihre Paulette denken lässt.