»Die Götter hatten Sisyphos dazu verurteilt, einen Felsblock unablässig den Berg hinaufzuwälzen, von dessen Gipfel der Stein kraft seines eigenen Gewichts wieder hinunterrollte. Sie meinten nicht ganz ohne Grund, es gäbe keine grausamere Strafe als unnütze und aussichtslose Arbeit«, heißt es bei Camus. Das Zitat findet sich an zentraler Stelle im mehr als merkwürdigen Kriminalroman »Hauptkommissar Theobald Weinzäpfli und das Orakel von Tägertschi« von Günter Struchen. Erschienen im Cosmos Verlag, Bern, einst auch Heimat für den zweimaligen Deutschen Krimi-Preis-Träger Alexander Heimann (»Dezemberföhn«, 1996, und »Muttertag«, 2001).
Verleger Roland Schärer macht seit Jahrzehnten ein schlankes, aber rankes Programm. Wenn dort einmal ein Kriminalroman auftaucht, greife ich zu – hat mich noch nie gereut. Auch dieses Mal nicht, wobei die Fallhöhe stattlich gewesen wäre: Ein Krimi ganz ohne Mord, Mordwaffen, Entführungen, Explosionen, ja sogar ohne Tatort, ohne Leiche, ohne Verdächtige, dazu der Stein des Sisyphos, zu dessen heutiger Variante natürlich das beständige Lesenmüssen beständig schlechter Kriminalromane gehört.
Mich hat es nicht gereut. Wo trifft man schon einen Ermittler namens Theobald Weinzäpfli, partieller Analphabet und Liebhaber von Ovomaltine – bitte aber lauwarm, die Milch – der auf seinem Pony Cinderella zu den Tatorten reitet, dort meistens vor sich hin träumt und am Ende die Fälle trotzdem löst? So dann auch im September 1958, wo ein Polizist nach Tägertschi gerufen wird, um einen Mord aufzuklären, der nicht stattgefunden hat. Stattdessen liegt der Polizist am nächsten Morgen tot im Gästezimmer, erschlagen von einem 700 Kilo schweren Stein. Es hilft, dass Autor Günter Struchen ein Pseudonym und im Hauptberuf Philosophielehrer ist, sehr seltsame Briefwechsel provoziert (128 davon sind im Sammelband »Fertig Robidog!« veröffentlicht) und es darauf anlegt, dass man nach dem Lesen mehr Fragen hat als vorher. Das muss man ertragen können.