Schauspiel Frankfurt & Dresden Frankfurt Dance: Saar Magals hochpolitische Performance »10 Odd Emotions«

Die Bühne erscheint wie das Innere eines großen, grauen Kastens, in dem, über die ganze Fläche verteilt, Stühle stehen. Auf diesen sitzen geschichtslose Gestalten, andere lungern drumherum. Eine Ansammlung von Schaufensterpuppen, alle in dunkelgrün schimmernde Kleider und Hosen gewandet. Wenn sie sich bewegen, dann ruckig, robotermäßig.
»10 Odd Emotions«, so hat die israelische Choreografin und spartenübergreifend arbeitende Regisseurin Saar Magal das neueste ihrer Stücke genannt. Es ist eine Auftragsarbeit des Frankfurter Intendanten Anselm Weber. Zum dritten Mal innerhalb weniger Jahre beschäftigt sich die Nachkommin von Holocaust-Überlebenden mit Antisemitismus, aber auch mit Rassismus und anderen Formen der Ausgrenzung. Die Verbindung zum ersten Werk der Serie, »Basically I don’t but actually I do«, schafft eine Bewegungsfolge kurz vor dem Ende, die das Ensemble aus Schauspieler*innen und Tänzer*innen der Dresden Frankfurt Dance Company wie ein Trupp Soldaten in Marschformation, synchron und entschlossen absolviert; selbst die Atmung ist identisch.
Dazwischen liegen Momente, die auf andere Weise unmenschlich sind, Szenen, die mit Grauen erfüllen, weil man sie nur allzu gut kennt. Ein Dialog, in dem es darum geht, einem kindlichen »Sie« zu vermitteln, dass es leise sein und sich verstecken muss, ohne dass das Angst heraufbeschwört. »Sag ihr, es ist ein Spiel«, heißt es dort.
Daneben konkrete Bilder aus Kriegszeiten, Anspielungen auf Verfolgungen und Völkermorde im Laufe der Historie: Männer und Frauen, die auf die Knie fallen, die Hände sich ergebend erhoben oder, wie gefesselt, auf den Rücken gelegt. Ein Mann, der mit Büchern wie mit Steinen beworfen, eine Frau, die unter diesen begraben wird. Menschen, die auf Metallstäben wie auf Krücken balancieren oder sich, wie traumatisierte Soldaten, Gewehrläufe in die Münder schieben. Kleidung wird auf den Boden geschlagen, schwarze Stoffe verhüllen Gesichter, Hosen fallen. Die roten Gummihandschuhe, die sich einige Performer überziehen, verweisen auf den Befehl des Generals Lothar von Trotha, nach dem Aufstand der Herero im damaligen Deutsch-Südwestafrika 1904 sämtliche Angehörige dieses Volkes zu vernichten.
Viel Erwartbares, Bewährtes zur Sache, wenig, was kreativ überraschen kann. Bis auf das Ende, das gleichermaßen Hoffnung zu geben vermag, weil Babys wie unbeschriebene Leinwände auf die Welt kommen. Zur Livemusik des Duos Omer Klein/Silvan Strauss, das auf einer Seite der Bühne platziert ist, erleben wir eine Bewegungssprache, die für Tanzinteressierte wenig Spannung bereithält, aber leicht verständlich ist und vom Premierenpublikum sehr positiv aufgenommen wird.

Katja Sturm / Foto: © Birgit Hupfeld
Termine: 3., 4., 10., 11., 12., 13., 22., 23., 25. Februar, jeweils 19.30 Uhr; 16. Februar, 16 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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