Die Bühne, eine Kleiderkammer, eingerichtet und ausgeschmückt von Amit Epstein. Links die bunte Damenabteilung, rechts, grauschwarzweiß, Anziehsachen für die Herren, später Spiegel allüberall. Und die Klamotten werden gebraucht, schließlich sollen und wollen diese weißen Menschen sich in ihnen präsentieren: Torsten Flassig, Christoph Pütthoff, Luana Velis, Katharina Kurschat und Sebastian Reiß bieten sich als moderne Arbeitssklaven an.
Auch Komi Togbonou findet sich auf der Bühne ein, das Ideal von einem Schwarzen in unserem geistigen Kolonialbewusstseinsbilderbuch: breite Brust, kräftig und irgendwie auch bedrohlich potent. Aber da passiert das Unvorhergesehene: »Heute geht es mal um mich« ruft der Gastschauspieler, der auch schon Bühnenpartner von Christoph Schlingensief war, und vertauscht kurzerhand die Rollen und die Kleider, den Gefangenenchor aus »Nabucco« – Heino singt – mit dem »House of New Orleans«.
Diesmal ist er es, der sich einen Sklaven aussucht unter den Bleichgesichtern, die alle servil auf ihre besonderen Qualitäten hinweisen. Also werden, die Muskeln, die Sehnen und natürlich das Gebiss geprüft. Doch wie das so ist auf dem freien Markt, der billigste – Torsten Flassig – macht das Rennen zum Nulltarif, mit fatal-letalem Ausgang.
Aber sie müssen sie ja noch zivilisiert werden, fotografiert und katalogisiert. Denn nicht nur im Privathaushalt sind diese dünnen Geschöpfe gut zu gebrauchen – Goldlamé-Jackett aber nichts darunter. Im Billiglohnland Bundesrepublik Deutschland gedeiht die Textilindustrie, vornehmlich in Brandenburg. Handys dagegen werden am günstigsten im Ruhrpott (seltene Erden) produziert und hier, am Rande der Provinz Europa, kann man auch gut und vor allem günstig seinen Urlaub verbringen. Anfangs noch bunt und individualisiert, werden die neuen »Produzenten« später wie nutzlose Bühnenfiguren abgeräumt, um als schwarzweißgelbe Masken unter der Knute Togbonous weiter zu funktionieren. Doch als sich die fünf in einem Rettungsboot auf die Flucht aus dieser Ausbeutung begeben, steigt er mit ein … und alle entschwinden im Nebel über dem Meer. Sklaven und Versklavte, will uns das sagen, wir sitzen alle in einem Flüchtlingsboot.
Lustig ist das Sklavenleben, und das Lehrstück feiert Auferstehung. Auch Bertolt Brecht forderte den Spaß auf der Bühne, zugleich aber Aufklärung, Erkenntnis, Handeln. Soll uns das riesige sehende – blaue(?) – Auge, das die Zuschauer aufdringlich bei ihrer Ankunft in den Kammerspielen erfasst, daran erinnern?
»sklaven leben« wurde im Rahmen eines Werkauftrags der »Frankfurter Positionen« von dem Autor Konstantin Küspert zusammen mit Regisseur Jan-Christoph Gockel und dem Ensemble entwickelt. Herausgekommen ist eine unterhaltsame satirische Revue, bei der nicht selten das Lachen im Halse stecken bleibt. Dafür sorgen auch gelegentliche Einblendungen mit Zitaten von Franz Fanon, mit Informationen über das moderne Sklavenleben und die »conditio nigra« sowie das höchst aufschlussreiche Programmheft. Ein Stück also, das nicht unbedingt Neues verkündet, aber doch eindrücklich zum Handeln aufruft.