Ein Foto, in dem sich hinter der Kleinstadt in Sachsen-Anhalt ein schwarzer Abraum-Berg erhebt, hat die Phantasie des Regisseurs Julian Radlmaier (»Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes«) angeregt. In seinem Film verbindet er die Geschichte des Ortes, in dessen Nähe der Dichter Novalis geboren wurde, mit ostdeutscher Befindlichkeit in der Gegenwart.
Seine Erkenntnisse bleiben aber im Hintergrund, wenn die junge Kellnerin Ursula (Clara Schwinning) nach ihrer Krankmeldung durch die malerische Altstadt wandert. Unterdessen sucht die iranische YouTuberin Neda (Maral Keshavarz) nach attraktiven Motiven für ihre Touristik-Empfehlungen. Neda trifft auf den koreanischen Reiseleiter Sung-Nam (Kyung-Taek Lie), der, statt ihr mit seinen »Sehenswürdigkeiten« zu helfen, die Reihe der skurrilen Begebenheiten anreichert.
Radlmaier hat nämlich auf eine zuschauerfreundliche Dramaturgie verzichtet und lieber auf eine Art sozialkritischer Romantik gesetzt. Beim Verfassen seiner Anmerkungen im Presseheft scheint ihm nicht bewusst gewesen zu sein, dass seine Figuren zu DDR-Zeiten gar keine Zeit für Irrwege durch eine verfallene Altstadt gehabt hätten. Sie wären mit unproduktiver Arbeit befasst gewesen.
»Sehnsucht in Sangerhausen« von Julian Radlmaier