Von einem Walfall werden die wenigsten schon einmal gehört haben, obwohl das Wort exakt das, was es vorgibt, auch meint: das Absinken eines toten Wals auf den Meeresgrund. Was mit dem um die zehn Tonnen wiegenden Kadaver da unten geschieht, gehört zu den Attraktionen im dem soeben eröffneten neuen Besucherraum »Tiefsee« des Senckenberg Naturmuseums. In einer Vitrine lässt die (verkleinerte!) Nachbildung eines solchen Koloss die Vielfalt der tierischen Tiefseetafelrunde bestaunen, die sich über fünf und mehr Jahre an diesem gütlich tut und nicht einmal seine Knochen übrig lässt, weil es auch dafür einen Spezialisten wie den Zombiewurm gibt. Vier Phasen dieses Festmahls lassen sich bestaunen, bei dem der gierige Schlafhai zu den ersten Profiteuren gehört und der erst im Jahr 2002 entdeckten Gruselwurm, der sich mangels Fress- und Verdauungsorganen in die Knochen ätzt und von den Restbakterien ernährt, zu den letzten. Der Rest wird Riff.
Mit den beiden neuen Räumen »Tiefsee« und »Meeresforschung« gibt das noch immer im Großumbau befindliche Haus nicht nur einen Blick auf die zukünftige Anlage seiner Themenräume frei, es präsentiert zugleich ein neues, modernes Vermittlungskonzept. Nicht mehr die Fakten und Daten stehen im Mittelpunkt der neuen Museumsphilosophie, sondern das mit allen Mitteln der Technik verfolgte sinnliche Erleben.
Hier findet sich auch ein Raum zum Thema Biolumineszenz, in dem acht Modelle von Tiefsee-Organismen zum Leuchten gebracht werden, wobei man von O-Geräuschen umhüllt wird, die Unterwasser aufgezeichnet wurden.
Der zweite neue Raum ist der Forschung gewidmet und konfrontiert uns mit Sonden, Bohrgeräten, Robotern, Unterwasser-Vehikeln wie der »ABYSS« und anderem sauteuren HighTech-Geräten der Tiefseeforschung, die nicht minder kompliziert, nicht minder kostspielig wie ihre Weltraumschwester ist und sich auch deshalb gern als »nasse NASA« bezeichnet. Man muss sich das mal vorstellen: Erst acht Prozent der Tiefsee sind vermessen, erst 20 Prozent ihrer Lebewesen bekannt und ausgedeutet. Warum das so ist, lässt sich mit einem Gang zum Bembel erfahren. Kein Witz: zum Forschungscontainer »Bembel Frankfurt 11.000« nämlich, der zu den begehrtesten Zielen dieses Museum avancieren dürfte.
Alle 15 Minuten startet dieser Tauchsimulator, der coronabedingt derzeit nur wenige Besucher einlassen kann, in eine Tiefe von 11.000 Metern. Drei große Screens zeigen an, was es bei fortschreitender Dunkelheit in hundert, in tausend, und ganz unten vom Pottwal bis zum Quallenschwarm an Leben gibt. Mit dem Curser ausgedeutet erfahren wir alles über das gerade fixierte Objekt. Die Daten des Tauchgangs, die Schemen der Tiere. ihre Namen und Daten, die ins Minus gehende Außentemperatur und der stetig steigende Druck werden für alle, die nicht in den Bembel kommen auch auf einer Wand projiziert. Ein Abenteuer unter Wasser. Derzeit aber alles nur auf Anmeldung.
Lorenz Gatt (Foto: © Sven Tränkner + Senckenberg Museum)
Mo.–Fr. 9–17 Uhr; Mi. bis 18 Uhr; Sa., So. 9–19 Uhr