Senckenberg Naturmuseum: »Flüsse« thematisiert die Vielfalt und Bedrohung von Fließgewässern

Es gibt den Tropfen auf dem heißen Stein, aber auch den, der das Fass zum Überlaufen bringt. Im ökologischen Kontext tauchen beide öfter auf. Dass so ein Tropfen nicht nur Wirkung, sondern auch ein phantastisches Innenleben haben kann, das lässt sich nun im Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt erleben. Als begehbare Installation ragt der größte Wassertropfen der Welt unter den Exponaten der neuen Ausstellung »Flüsse« in zweiten Stock des Hauses am Bockenheimer Campus heraus. Geht man in den Tropfen hinein, dann durchkreuzen 2D-animierte Pantoffel- und Augentierchen sowie andere Kleinstorganismen, die sonst nur unter dem Mikroskop in ihrer berauschenden Formenvielfalt erkennbar sind, in Überlebensgröße den Raum: zart, durchscheinend und durchaus auch ein bisschen himmlisch. Nimmt man die Rädertierchen mal aus, die eine Art Putzkolonne bilden im großen Wassertropfenreich. Keine Frage, dass ein solches Exponat nicht nur die Jugendlichen begeistern wird. Mitmach-Stationen sind der Dreh- und Angelpunkt des modernen Ausstellungskonzepts des Hauses.
Im Zentrum der am Weltwassertag (22. März) eröffneten neuen Schau steht die immense Bedeutung des Flüsse und Bäche nicht nur für den Kreislauf der Natur und die Landschaften, sondern auch für das kulturelle Leben insgesamt: ihre Vielfalt, aber auch ihre Bedrohung. »Die Flüsse bilden das natürliche und kulturelle Rückgrat einer Landschaft – die Erhaltung der Natur ist dabei immer auch Schutz der Kultur und der Menschen«, untermauert dies der neue Senckenberg-Chef Klement Tockner. Und der kennt sich als gelernter Gewässerökologe aus. Es gibt wohl kaum einen größeren Ort, der nicht als Lebensader einen Fluss auswiese.
Umso schlimmer folglich, dass nur zehn Prozent der Flüsse in Deutschland in einem guten ökologischen Zustand sind. Alles fließt, sagt Heraklit – allerdings längst nicht mehr, wie es sollte. Dazu gehört auch die Nidda, der hier besondere Aufmerksamkeit gilt, zumal sie auf dem Weg der Besserung ist. Im Zuge der seit 1990 betriebenen Renaturierung des hessischen Flusses, sind auch Fische wie die Nase wieder zurückgekehrt. Über die Erfolge dieser Arbeit kann man sich bestens informieren.
Was passieren würde, wenn unsere Region vollständig »versiegelt«, also zugebaut würde, lässt sich an einer zweiten Aktivstation per Screen verfolgen. In einer Relieflandschaft des Rhein-Main-Gebiets – vom Vogelsberg bis zum Hessischen Ried – kann man regulierend in den Wasserkreislauf eingreifen und sich in einer Simulation sofort aus der Vogelperspektive die Folgen seines Tuns vergegenwärtigen. Wie reagieren die Landschaften, wenn sie weiter besiedelt werden? Aber auch, was geschähe nach einer massiven Wiederaufforstung? Eine absolute Neuheit, mit Unterstützung der Mainova realisiert, die es in keinem anderen Museum gebe, heißt es.
Für die globale Sicht werden der Amazonas, der Nil, der Ganges und der Rhein beispielhaft als Ökosysteme vorgestellt. Animierte Karten zeigen, wie sich die Wassermengen dieser Flüsse im Jahresverlauf verändern und wie ungleich die Wasserressourcen weltweit verteilt sind. Anhand dieser vier Flüsse wird beispielhaft auch das Thema Wasserverbrauch thematisiert. Wieviel Liter stehen jeder Person im Einzugsgebiet der Flüsse zur Verfügung und wofür werden sie genutzt? Natürlich verrät die Ausstellung ihren Besucher*innen auch, wie sie durch ihr Verhalten und ihren Konsum den Wasserverbrauch in anderen Ländern beeinflussen können.
In einem weiteren Modul wird die Geologie des Wassers betrachtet und es geht um die Frage, warum Trinkwasser so unterschiedlich schmeckt. Die vorgesehenen Verkostungen dazu wird es geben, sobald die pandemische Lage es wieder zulässt. Freuen wir uns auf einen guten Tropfen!

Lorenz Gatt (Foto: © Senckenberg)
Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 9 –17 Uhr, Mi. 9 –20 Uhr, Sa., So. 9 –18 Uhr
https://museumfrankfurt.senckenberg.de

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