Natürlich ist auch das ein Spiel. Masken werden auf- und abgezogen, was wirklich ist und was nicht, was ausgedacht und was vielleicht nur ein ganz klein wenig ausgeschmückt ist, bleibt offen.
Der Mann, den wir als Chilly Gonzales kennen, ist eine Erfindung. Ein Bühnentier, eine Rampensau, ein Hasardeur und Gaukler. In Philipp Jedickes Dokumentation »Shut Up and Play the Piano« legt er Spuren, wie es dazu kam. Möglich, dass es sich aber auch um falsche Fährten handelt. Sie führen von Kanada, der Heimat von Chilly Gonzales, über Berlin nach Paris und von da in die großen Konzertsäle der Welt, die er inzwischen völlig selbstverständlich bespielt.
Alte Weggefährten kommen dabei zu Wort. Leslie Feist etwa, deren ersten beiden Solo-Alben Gonzales produzierte. Sie erzählt lächelnd, wie er ihren größten Hit »1-2-3-4« völlig verkannte und nicht einmal veröffentlichen wollte. Oder Peaches, mit deren exzessiven Energie sich Gonzales in Berlin infizierte. Alte Videoaufnahmen dokumentieren gemeinsame Auftritte aus dem WMF und dem Maria, es ist grandioses, berstendes Material, das Gonzales schwebend zwischen Musik und Konzeptkunst zeigt. Irgendwann hatte er davon genug und zog sich in die Stille seines Klaviers zurück. Piano solo, eine der vielen Häutungen seines Künstler-Ichs, wurde ein umwerfender Erfolg.
Im Zentrum von »Shut Up and Play the Piano« steht ein schreiend ungelenk gefilmtes Interview, das Sibylle Berg mit Gonzales führt. Auch hier ist völlig unklar, was daran spontan ist und was gescripted. Wer ist dieser Jason Beck aka Chilly Gonzales? Und wenn ja, wie viele? So viel jedenfalls ist klar: Die schöne Musikfilmreihe »I can see music« eröffnet mit »Shut Up and Play the Piano« ihre Herbstsaison.