»Sleaford Mods« in der Batschkapp Frankfurt

Die Sleaford Mods aus Nottingham sind seit ein paar Jahren in aller Munde. Warum, wird schnell klar, wenn man ein Video dieses Duos sieht: Selten hat man in den vergangenen Jahren so viel Wut im britischen Pop wahrgenommen. Doch was heißt hier Pop? Diese Band – die nicht aus Sleaford, sondern aus der Nähe Nottinghams stammt – macht das Gegenteil von Pop: Aus dem Geist des Punk, aus dem Geist der Negation entsteht ihre Musik. Aus dem Wissen, dass die Welt schlecht ist, der Heimatort in Wirklichkeit ein veritables Kaff, doch dass es woanders auch nicht besser werden würde. Im Gegenteil: Ein paar Jahre lebte die Band in London. Schlimm. Ganz schlimm. Der schlimmste Ort überhaupt, sagen sie. Wie eine neu verspachtelte Wand. Durch die Gentrifizierung aller Eigenschaften beraubt.
Jason Williamson und Andrew Fearn sprechen die Sprache ihrer Heimat: Der Midland-Dialekt ist so breit wie grässlich – zumindest für englische Ohren. Ihr Slang ist als Ausdruck eines Klassenbewusstseins interpretiert worden. Als Wut über all das, was in England schiefläuft.
Und das ist viel. Die Sleaford Mods singen darüber. Über eine Gesellschaft, die aus den Fugen geraten ist. Wut, Frustration, das Wissen, dass die Zukunft alles andere als rosig ist – genau daraus wurde in England stets die beste Musik gemacht. Der Mod-Punk von The Jam, die radikale Monotonie von The Fall oder PIL, knarrender Post-Punk, darunter schleppende Beats – dazu ein wunderbares Genöle, wie grässlich alles ist: Das sind die Sleaford Mods.
Manchmal ist der Brit-Hop-Grime von The Streets oder Jamie T. in Hörweite, doch viel stärker noch orientieren sich die Sleaford Mods an der Musik aus uralten Tagen. Ein wenig von den jungen Oasis steckt auch noch in ihrem Sound: das Proletige, der Arbeiterstolz. Sleaford Mods führen vor, mit wie wenig großartige Musik auskommen kann: Andrew Fearn, der Beat-Bastler, erfindet nichts neu, lässt nur Platz für das Höhnen und Stänkern seines Kollegen, für dieses Granteln und Schimpfen.
Auf gewisse Weise sind die Sleaford Mods die derzeit beste Punkband Englands – und vielleicht auch die letzte. Sie könnten die starke Stimme jener sein, die zu den Verlierern im neuen England gehören – und das sind sehr, sehr viele. Die Sleaford Mods sind alles andere als glamourös: Sie sind krawallig bis resignativ, musikalisch eher simpel. Sie pöbeln gegen den Adel sowie gegen Banker, gegen Smartphone-Internet-Junkies, gegen Obdachlose, gegen szenige Vollbart-Träger und gegen Politiker. Sie hassen eigentlich alles. Außer das Bier in ihrem Lieblingspub – beste, alte Mark E. Smith-Schule.
Sie fluchen, was das Zeug hält. Worte wie »Shit« oder »Fuck« sind noch die nobleren, die sie wählen. Ihre Videos drehen sie in der trist-grauen Szenerie englischer Sozialbauten – und auf der Bühne brauchen sie nicht mehr als ein Mikrophon, einen Laptop, mal einen Bass, ein paar Bier und eine Elektrozigarette. Eine solche Mischung aus Aggressivität und Verzweiflung war selten. So eine Verweigerung, so eine Hoffnungslosigkeit. So eine großartige Wut. Im Jahr 2017 wurde diese Wut in dem Dokumentarfilm »A Bunch Of Kunst« von der Regisseurin Christine Franz in Bilder gegossen. Kein Geringer als Iggy Pop nennt die Sleaford Mods in dem Film »die beste Rock‘n‘Roll-Band der Welt«.
Jetzt sind die Sleaford Mods in der Batschkapp zu erleben, um ihr neues, zwölftes Album »UK Grim« vorzustellen. »Die Verwesung hat eingesetzt«, sagt Rapper Jason Williamson über England. »Wir sind alle Torys geworden, wir sind jetzt alle konservative Abgeordnete. Diener dieses trübseligen Aldi-Nationalismus.« Weiter bleibt das große Thema der Mods: die krasse soziale Schieflagen einer Gesellschaft, die Williamson als ehemaliger Packer in einer Geflügelfabrik sehr genau kennt: »Die Leute sind platt gemacht worden, und sie fühlen sich hilflos.«

Marc Peschke / Foto: © Ewen Spencer
Mo., 16.10., 20 Uhr, Batschkapp, Gwinnerstrasse 5, 60388 Frankfurt, 069/95218410, www.batschkapp.net

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