Es ist ein Stück, das Brücken schlägt. Offiziell stand »Prometheus« im vergangenen Jahr als letztes Werk des Studio Naxos auf dem Programm, bevor dieses Anfang 2025 zum Teil des neuen Produktionshauses auf dem Areal in der Frankfurter Waldschmidtstraße 19 werden sollte. Doch auch im Februar ist die Inszenierung von Simon Möllendorf noch im Untergeschoss der ehemaligen Fabrikhalle zu sehen. Das Publikum ist gebeten, seine warmen Jacken vor dem Betreten des Raums abzugeben. Viele trauen sich das nicht, verbinden die Spielstätte zumindest mit leichtem Frösteln. Doch diesmal sorgen Heizstrahler für mehr als nur ausreichend Wärme.
In der Mitte des Bühnenraums, den auf allen vier Seiten Sitzgelegenheiten umgeben, sitzen die vier Performer, Camilla Fiumara, Johanne Schroeder, Muawia Harb und Santiago Mariño, ineinander verschränkt wie eine komponierte Skulptur. Ihre Outfits passen zu den abgewetzten braunen Judomatten, mit denen die Fläche ausgelegt ist: Sie tragen seidige Shorts wie Boxer, und die beiden Frauen haben ihre Oberkörper mit fleischfarbenem Tape umwickelt, die der Männer sind nackt.
Die Posen haben etwas Beherrschendes. Erst spät und nur sehr langsam lösen sich die Umklammerungen, in die die einen die anderen genommen haben. Griffe und Techniken werden angewandt, die verschiedenen Kampfsportarten entliehen sind. Doch in der zahmen Geschwindigkeit verwandeln diese sich in etwas Zärtliches, als wollten die Menschen einander eher ertasten als sich gegenseitig zu bezwingen.
Franz Kafka hat sich in seinem wenig bekannten Miniaturstück zur Sage der titelgebenden Gestalt aus der griechischen Mythologie mit alternativen Enden beschäftigt. Der Held, ein Rebell unter den Göttern, wird zur Strafe dafür, dass er den Menschen das Feuer übergibt, an einen Felsen geschmiedet. Ein Adler frisst seine Leber. Doch der Titan könnte auch verschmelzen mit der Natur, vergessen oder gleichgültig werden. Diese andere Art, mit dem Leben umzugehen, es nicht als dauerhaften Kampf anzusehen, stellt Möllendorf in den Fokus seiner Choreografie.
Aus der zentralen Position heraus bewegt sich das Quartett nach außen, kommt den Zuschauern greifbar nahe. Die Zeitlupe wird gebrochen, immer dann, wenn ein Hebel gelingt, ein Wurf umgesetzt wird. Die Erdanziehung bleibt unbezwungen, sie lässt die Körper ungebremst fallen und laut auf den Boden aufschlagen. Wo einer gefällt wird, stimmen die anderen wie ein Echo mit ein, lassen sich selbst irgendwo auf die Unterfläche knallen. Die bloße Haut patscht mit den Tatamis zusammen. Ein ums andere Mal. Dazwischen rappeln sich die Gestalten immer wieder auf. Auch dies ist ein Bild, das das Leben beschreibt und gerne zitiert wird. Das an die eigenen Rückschläge erinnert und daran, dass es gilt, immer wieder aufzustehen, um sein Schicksal zu meistern. Selbst wenn das hier irgendwann so sinnlos wie bei Sisyphos erscheint. Eine Brücke in den Alltag eines jeden. Mehr passiert nicht. Auf Intensität folgen Leere und Dunkelheit.
Studio Naxos performt Franz Kafkas Gedanken zu Prometheus
