»The Florida Project« von Sean Baker

Disney World für Arme

»The Magic Castle« nennt sich verheißungsvoll das dreistöckige Hotel. In schönstem Prinzessinnen-Pink steht es am Rande des Highways, der geradewegs nach Disney World führt. Aber die Wirtschaftskrise ist auch an der Vergnügungsparkindustrie nicht spurlos vorüber gegangen. Der Besucherstrom ins Märchenland hat nachgelassen, und ins Magic Castle kommen kaum noch Touristen.

Stattdessen wohnen in dem Billighotel Leute, die am Rande der Obdachlosigkeit stehen, die Miete ihrer Wohnung oder die Raten fürs Haus nicht mehr bezahlen können und nun Tag für Tag die 38 Dollar fürs Hotel zusammenkratzen. Die nimmt Manager Bobby entgegen, den ein sympathischer Willem Dafoe als einfühlsamen, aber bestimmten Ordnungshüter gibt.
»Der Mann, der hier lebt, wird oft verhaftet«, weist die sechsjährige Moonee (Brooklynn Prince) ihre neue Freundin ein, während sie beide die Laubengänge des Hotels entlang streifen. »Die Frau hier drin denkt, dass sie mit Jesus verheiratet ist. Der hier hat eine Krankheit, die die Füße groß macht. Der hier trinkt viel Bier.« Dennoch ist für Moonee das Magic Castle tatsächlich ein verzauberter Ort und die Umgebung der abgehalfterten Vergnügungspark-Peripherie ein riesiger Abenteuerspielplatz. Das Mädchen lebt mit seiner Mutter in Zimmer 323. Halley (Bria Vinaite) ist Anfang 20, umfangreich tätowiert, ohne Arbeit und verhält sich gegenüber der Tochter eher wie eine große Schwester. Sicherlich keine Helikopter-Mutter, aber eine, die viel Zeit für ihr Kind hat, Verantwortung übernimmt, auch wenn sie Moonee und ihrem Freund Scooty (Christopher Rivera) so einiges durchgehen lässt.
Die Sommerferien mit all ihren abenteuerlichen Verheißungen liegen vor den Kindern, für die es ganz normal ist, am Wagen eines Wohlfahrtsverbandes für Brot und Gebäck anzustehen, den Touristen mit Rehaugen ein Eis aus dem Kreuz zu leiern oder mit der Mutter vor einem besseren Hotel Markenparfüm zu verkaufen. Kompromiss-los zeigt Regisseur Sean Baker in »The Florida Project« das Leben am Rande der Armutsgrenze aus der Kinderperspektive. Sein Blick ist von großartigem Einfühlungsvermögen geprägt, er verzichtet auf alle paternalistischen Mitleidsbekundungen.
Die zum Großteil mit Laiendarstellern gedrehte Low-Budget-Produktion zeichnet sich durch eine hohe soziale Wahrhaftigkeit aus, die nie in Armutspornografie abgleitet. Im Gegenteil gelingt es Baker durch den Kontrast zwischen den sozialen Verhältnissen und den quietschbunten Disney-World-Kulissen die Magie einzufangen, mit der die Kinder in die Welt blicken, ohne die Härte der Lebensumstände zu kaschieren.

Martin Schwickert
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THE FLORIDA PROJECT
von Sean Baker, USA 2017, 111 Min.
mit Willem Dafoe, Brooklynn Prince, Valeria Cotto, Bria Vinaite
Drama
Start: 15.03.2018

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