Theater Willy Praml zeigt Molières ungeheuerlichen »Don Juan«

Vorspiel: Zigarette gefällig? Trotz Warnung auf der Schachtel und striktem Rauchverbot im Saal? Tu’s einfach! Sgnarelle, der Diener Don Juans, oder auch Jakob Gail – so genau wissen wir das mit seiner Rolle hier noch nicht – stimmt das Publikum atmosphärisch ein, will unsere Lust auf das Verbotene, das Unschickliche wecken, und – warum nicht? – einen gehörigen Schuss Rücksichtslosigkeit. Liberté toujours à la Gauloise und voll nach der Art seines, von ihm selbst als wahrer Schuft angekündigten Herrn.
Und der, Don Juan, erklimmt denn auch aus feurig glühendem Untergrund die schmale Vorderbühne und eine erste Runde des komödiantischen Slapsticks zwischen Diener und Herrn – Ohrfeigen, Falltüren – nimmt ihren Lauf. Donna Elvira, die betrogene Noch-Ehefrau des Titelhelden, erscheint und stellt ihn zur Rede, mit Vorwürfen, die so lang sind, wie die über-Bühnen-breite, golden-rote Schleppe, die sie hinter sich herzieht. Beeindrucken kann sie Don Juan freilich nicht, der nur eine Frau nach der anderen erobern will und sich auch von Warnungen nicht abschrecken lässt.
So eingestimmt, wird die ernste Geschichte in flockigem Ton und bunten Bildern (Bühne: Michael Weber!) weitererzählt: die Fahrt übers allzu stürmische Meer, die Don Juan und Diener nackt stranden lässt; die handfesten Bauern, die sie finden, Arzt und Tod in Parodie; aber auch der arabische Bettler, der sich selbst mit Geld nicht dazu verleiten lässt, Gott zu verfluchen – und unser Verständnis findet. Die profane Probe aufs säkulare Exempel hat das Gros des Publikums schon im Vorspiel geleistet.
Dass selbst das Habit einer Nonne lasziv sein kann, hat sich Molière vielleicht noch nicht vorstellen können, Praml und seine Kostümbildnerin Paula Kern aber durchaus! Nichts und niemand kann Don Juans eiskalte Schuftigkeit erschüttern, auch nicht der gelegentliche Blick auf das Totenreich des von ihm getöteten Komtur – silberglänzend im Hintergrund, wenn der Bühnenvorhang aufgerissen wird. Von daher kommt er denn auch, und dort hinein wird er dann auch verschwinden.
Komödiantische Verfremdungen auch in den Kostümen: etwas schlampertes Barock, ergänzt durch nicht ganz passende Jeanselemente, leicht demolierte Perücken mit ungewöhnlichen Rosatönen, extra dick aufgetragene Theaterschminke und unpassende Brillen, unendlich lange Zöpfe (Bauersfrau Charlotte) und westernartige Duelle, steckenbleibendes Schuhwerk handfeste Keilerei und höfische Tänzchen, leicht parodiert. Die Mischung zwischen Lachen und betroffenem Innehalten macht die große Qualität der Inszenierung Willy Pramls aus: Commedia dell’arte comme il faut.
Mit ironischer Distanz brilliert Michael Weber als Don Juan, Jakob Gail gibt dessen Diener Sganarello unschuldig-verschlagen und immer wieder überrascht von den Launen seines Herrn (ganz großartig!). Die anderen drei der Pramlschen Stammgruppe – Birgit Heuser, Elisabeth-Marie Leistikow und vor allem Muawia Harb – müssen jede(r) mindestens vier Personen verkörpern und tun dies mit unnachahmlicher Bravour. Jean Philippe Rameaus Musik – gerade noch Zeitgenosse Molières – begleitet die Inszenierung, an einer Stelle nur eine ganz kurze Einspielung aus Mozarts Oper. Sparsamste Ausstattung und schmale Bühne verlagern die volle Konzentration auf das fabelhafte Spiel der Darsteller. Ein wunderbarer Abend mit einem der größten historischen Stücke über menschliche Schwächen, der, bei aller Nachdenklichkeit, die zurückbleiben könnte, vor allem großartig amüsiert, wie das eine Komödie auch tun sollte.

Katrin Swoboda (Foto: © Seweryn Zelazny)
Termine: 14.–16., 20., 21. 23., 28.–30. Juni, jeweils 20 Uhr
www.theaterwillypraml.de

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