Ein Dritter? Wir sind noch zwei
Irgendetwas, so merken es bald auch die Jüngsten im Zuschauerraum, stimmt da doch nicht. Zunächst sind es zwei, dann aber drei schwarzgekleidete, Zylinder tragende Figuren, die sich da in immer neuen Posen und Posituren um ein paar Stühle herum bewegen. Miteinander reden tun allerdings lange Zeit immer nur zwei von ihnen. Und zwar so, als wäre die dritte Person gar nicht da. Ganz schön gemein, oder?
Es müsse immer einer der Erste und immer einer der Zweite sein, wird da von dem behauptet, der sich als Erster zu erkennen gibt und deshalb auch Einer heißt. Und der, der Zweier heißt, stimmt ihm umgehend laut zu, auch wenn er manchmal etwas daran zu zweifeln scheint. Wie, fragt er sich, ist das bei Nasenlöchern, ist da auch eins das Erste? Doch schon der leiseste Gedanke, dass es auch mal andersherum sein könnte, bringt Einer in Rage. Denn das; so meint er, würde die Ordnung und die unumstößliche Reihenfolge der Zahlen stören. Schließlich sei man nicht bei den Vögeln, bei denen, weil sie nicht zählen könnten, immer alles wild durcheinander gehe. Weil erst die Eins kommt und dann die Zwei, kriegt auch Herr Dreier keine Chance beim Mitzählen. »Nein, wir sind schon zu zweit«, fertigt ihn Einer ab.
Natürlich bleibt es nicht dabei. »Dreier steht Kopf« heißt das knapp 50-minütige Bühnenstück von Carsten Brandau für Kinder ab vier Jahren schließlich, und es vermittelt, dass man eine noch so eherne Ordnung der Dinge spielend zum Wanken bringen und sogar umstülpen kann. Man muss sie nur hinterfragen. Doch damit nicht genug: Brandau hat für die kleine Parabel eine Sprechweise gewählt, die derzeit mit großem Erfolg im aktuellen Erwachsenentheater etwa von Felicia Zeller (»X-Freunde« am Schauspiel) eingesetzt wird. Wie im wirklichen Leben verständigen sich die Zahlendarsteller in angerissenen, fragmentarischen Sätzen, die das Auditorium ohne groß denken zu müssen, ergänzt. Die sprachliche und inhaltliche Reduktion rückt »Dreier steht Kopf« sogar in die Nähe des absurden Theaters und macht es deshalb jenseits seiner pädagogischen Ziele auch für Erwachsene interessant. Wenn Einer darüber sinniert, wie anstrengend es doch auch für ihn sei, in allem immer der Erste zu sein, könnte man gar vermuten, es habe wohl das Herr-Knecht-Kapitel aus Hegels »Phänomenologie des Geistes« Pate gestanden.Rob Vriens hat das Stück mit Ute Nawrath, Günter Henne und Oliver Kai Müller inszeniert. Es ist für Groß und Klein empfohlen, ganz unabhängig voneinander. Auch in der Reihenfolge.