Theaterhaus Frankfurt geht mit »Schlafen Fische?« ein Tabuthema an

Wutwolken für Emil

Das größte Problem für das kleine, erlesene Kinderstück »Schlafen Fische?« ist es, die Lehrer und Eltern zu überzeugen. Davon nämlich, dass es Kinder weder zwangsläufig verschreckt noch schadet, wenn ihnen vom Tod, vom Trauern und von der Endlichkeit des Lebens erzählt wird. Von etwas, das niemand, und sei er noch so erwachsen, wirklich fassen kann, und das darum alle beschäftigt. Auch die Kinder. Es kommt schließlich in den besten Familien vor, dass Menschen sterben.
»Schlafen Fische?« das ist eine der Fragen, die Jette dem Vater stellt irgendwo am Meer, als sie und Emil Sandburgen mit Wassergräben bauen, in denen sich Winzfischchen tummeln. Das war in den Ferien, erinnert sich Jette, die gerade zweistellig, also zehn Jahr alt geworden ist, an die Zeit mit ihrem kleinen Bruder, der vor einem Jahr gestorben ist. Mit sechs! Einstellig! Ob man das dann wohl bleibt, sechs Jahre alt, wenn man tot ist? Immerhin gebe es Leute, die sogar dreistellig würden. Als der Opa mal gesagt habe: »Ja, wer will denn bloß einhundertzwei Jahre alt werden?«, da habe der Vater gesagt: »Alle, die einhunderteins sind«.  
Emil war lange krank, weil etwas mit seinem Blut nicht stimmte, und starb im Krankenhaus. Die Schwester erzählt von den Spielen, den Ausflügen und den Besuchen im Krankenhaus, aber auch von der Beerdigung und von ihren Eltern, die sie manchmal gar nicht mehr beachteten. Jette, die sich zu allem ihre Gedanken macht, geht dabei nicht chronologisch vor, sondern springt hin und her, wie es ihr gerade einfällt, und gerät dabei bisweilen ins Plaudern. So erfahren wir, dass Emil Pizzas liebte und sie, seit er tot ist, dunkle Wutwolken auf ihre Bilder malt und dass sie sich im Urlaub abends heimlich zum Strand geschlichen hat, um die kleinen Fische zurück ins Meer zu lassen, falls sie doch schlafen müssen. Auf die Erwachsenen ist auch nicht immer Verlass.
Der Kinderbuchautor Jens Rasche hat das mehrfach prämierte Solo verfasst. Im Frankfurter Theaterhaus (Schützenstraße 12) wird es nun nach einer Regieidee gespielt, die Pawel Szkotak für das Teatr Polski Posen und die deutsche Plattform The@rt entwickelte – mit live zugespielter Musik und mit Videoanimation. Die Frankfurter Schauspielerin Verena Specht-Ronique hält ihre Jette in einem roten kurzen Kleidchen schwer auf Trab und in Bewegung. Ein Springinsfeld, der auch mal ein paar Haribos verteilt und sein junges Publikum wie ein alles Vertrauen genießender bester Kumpel mit auf eine nicht eben einfache Reise nimmt, die viele Augen, auch von Erwachsenen, nicht ganz trocken überstehen, auch wenn sie fröhlich bleiben. Jettes einziges Requisit ist eine weiße Bank, die ihr als Bett, als Boot, als Skateboard, aber auch dazu dient, Emils weißen Sarg vorzustellen. Unterstützt und begleitet wird sie vom improvisierenden Spiel Elvira Plenars am Keyboard und von den märchenhaft simplen Videocartoons, die manchmal auf das Behaglichste den ganzen Raum verzaubern. Gut aufgehoben – Groß und Klein.

Winnie Geipert (Foto: © The@rt)

Termine: 23., 24., 25. 26. November, 11 Uhr
www.theaterhaus.de

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