Vater werden ist nicht schwer
»Väter und andere Katastrophen« von Martin Valente
Sind wir Männer nicht doch eine Fehlkonstruktion? Die Frage drängt sich auf, wenn man »Väter und andere Katastrophen« sieht. Der äußerst vergnügliche Film des Franzosen Martin Valente handelt von zwei Exemplaren der männlichen Gattung, die in ihrer Rolle als Väter, echte oder vermeintliche, in der Tat eine Katastrophe sind. Gustave war bisher ein steter Quell der Enttäuschung für seine Tochter, Bernard liest nach dem Tod seiner Frau die süßen Kinderbriefe, die an ihn gerichtet waren. Im Alter plagt ihn das Gewissen: da war doch was, einen Sommer lang, und wie hieß die Frau damals?
Die Frau hieß Barbara, und die mittlerweile erwachsene Chloé, die offiziell eine siebeneinhalbmonatige Frühgeburt ist, hat die Briefe von einst längst aus ihrem Kopf verdrängt. Auf ihren (Zieh-)Vater hingegen sollte man sie besser nicht ansprechen. Denn Gustave ist dem Alkohol zugetan und gibt im betrunkenen Zustand ein Bild ab, über das sie sich oftmals schämen mußte. Gustave, ein herzensguter, aber schwacher Kerl kämpfte damit, daß seine Frau Barbara bis zu ihrem Tod eben in jenen Bernard verliebt blieb.
Bernard ist heute ein erfolgreicher Großindustrieller und Zwangsneurotiker, der Haare auf dem Jackett nicht ertragen kann und so manches andere auch nicht. Wenn er sich zusammen mit Gustave auf die Suche nach Chloé macht, verschweigt er seine Motive und gibt sich als helfender Freund aus. Daß er ausgerechnet in ein Casting für die Hochzeit der Tochter gerät, bei dem sie einen Schauspieler sucht, der die Rolle des erfundenen Vaters spielen soll, ist ein hübsch ausgedachter Zufall. Chloé glaubt, daß Bernard einfach nur die Vaterrolle vorspielt, die sie selbst in einem Drehbuch skiziert hat – und lehnt ihn ab. Doch Bernard gibt nicht auf, schaltet den ausgewählten Mimen aus und taucht als dessen Ersatzmann bei den Hochzeitsvorbereitungen auf, um selbst den Renommiervater zu geben. Mit etlichen Pannen.
Die Idee, den vermutlich leiblichen, in der Kindheit abwesenden Vater den Idealvater spielen zu lassen, ist mehr als ein komödiantischer Kniff des Drehbuchs. Einerseits führt sie zu witzigen Situationen, die den Film zu einer jener leichten französischen Komödien macht, die das Publikum liebt. Andererseits – und das ist die bewegende Seite des Films – geht es dadurch auch um kindliche Träume und deren Enttäuschungen, um Hoffnungen, beste Vorsätze und die Probleme, sie umzusetzen.
Regisseur und Drehbuchautor Martin Valente erzählt zusammen mit seinem Koautor Gianguido Spinelli neben den verdrehten Vater-Tochter-Beziehungen die Geschichte von zwei ungleichen Männern, die sich gezwungenermaßen annähern. Denn Gustave schleicht sich in die Küche des Schlosses ein, in dem die Feierlichkeiten stattfinden werden, und gibt inkognito den Chefkoch, um von ihr unbemerkt in Chloes Nähe zu sein. Wie aus dem einen ein Mensch wird und aus dem anderen ein Meisterkoch, der seinen Alkoholismus zumindest an einer Stelle in den Griff bekommt, zeigen Gerard Jugnot als gutmütiger Verlierertyp und François Berleand als distanziert-hochmütiger Geschäftsmann dermaßen überzeugend, daß man glaubt, ihnen wären die Rollen auf den Leib geschrieben. Dazu glänzt Olivia Ruiz als willensstarke Chloé, die hinter ihrer Arroganz das enttäuschte Kind zu verbergen sucht. Wie heißt es in Woody Allens »Broadway Danny Rose«? Verständnis, Vergebung und Liebe sei die Lebensphilosophie von Onkel Sidney. Vor der Entscheidung, diese Weisheit anzunehmen, steht Chloé am Ende einer grandiosen Komödie.