15. Lichter Filmfest – 10.–15. Mai 2022 in Frankfurt

Diese Bilder verfolgen uns täglich: Russisches Militär bombardiert Dörfer und Städte. Weinende Frauen und Kinder inmitten von Ruinen, ein Land am Boden. Doch hier geht es nicht um die Ukraine, sondern um Tschetschenien. Eine Region, heißt es im Programmheft des Lichter Filmfests. Doch die Emigranten, die in José Malinowskis Doku »We Chechens« zu Wort kommen, reden von einem Volk, dem die russische Regierung die Eigenständigkeit abspricht. Zwei Kriege hat Russland gegen sie geführt – gegen Terroristen, wie Putin verkündet. Aber die Tschetschenen sind nicht nur gefürchtete Kämpfer, als die sie gerne gesehen werden. Es sind auch arglose Familien, Menschen, die in Frieden leben wollen – wie die in der Ukraine.
Jedes Filmfestival lebt von der Filmauswahl, das haben Gregor Maria Schubert und Johanna Süß von Anfang an erkannt. Deshalb haben sie sich auch aus der provinziellen Beschränkung der Vorgängerveranstaltung gelöst, ohne den regionalen Schwerpunkt aufzugeben. Eine Sektion des Festivals, das den Untertitel »Frankfurt international« trägt, ist also den »Regionalen Filmen« gewidmet. Hier findet man auch die genannte Doku über Exil-Tschetschenen, die so gar nicht dem Klischee entsprechen, das wir pflegen.
In dieser Sektion ist das junge hessische Kino vertreten: der Echtzeit-Thriller »Ach du Scheiße« aus Offenbach, die Spielfilmerstlinge »Brennesselbad« von Janina Lutter und »Modell Olimpia« von Frédéric Hambalek, aber auch der Rückblick auf »Keine Startbahn West – Eine Region wehrt sich« von einem Regiekollektiv (damals ganz zeitgemäß) aus dem Jahr 1982 in einer restaurierten Fassung.
Das Thema »Freiheit« soll im Zentrum stehen. Ein Begriff, unter dem sich jeder etwas anderes vorstellen kann. Das Programmheft gibt schon mal eine Richtung vor: »Wir wollten uns dafür feiern, 15 Jahre frei, unabhängig und stets im Dienst der Sache an einer Zukunft für den Film gearbeitet zu haben.« Dass der Schrei nach Freiheit auch im politischen Geschehen derzeit deutlich zu vernehmen ist, weitet den Blick.
Ganz besonders beziehen sich die 20 Langfilme in der Sektion »Internationale Filme« auf das gewählte Thema. Etwa »Adults in the Room« von Costa-Gavras, der anwesend sein wird, sowie der für den Auslands-Oscar nominierte »The Worst Person in the World« von Joachim Trier.
Eine weitere Sektion trägt den schönen Namen »Zukunft deutscher Film«. Hierzu gehören der Eröffnungsfilm »Ask, mark ve ölüm – Liebe, D-Mark und Tod«, der in der Sektion »Panorama« der diesjährigen Berlinale den Publikumspreis gewonnen hat, und die Hommage an zwei der wichtigsten und einflussreichsten Cinephilen in Deutschland »Komm mit mir in das Cinema – Die Gregors« von Alice Agneskirchner.
Neben dem Filmprogramm hat das Festival aber auch die Initiative zu einer Diskussion über die Zukunft des deutschen Films und der Kinos ergriffen. Dabei ist ein Frankfurter Manifest herausgekommen, das für die anstehenden Gesetzesnovellierungen zur Filmförderung hilfreich ist. In einem ersten Panel sind Positionen zur Zukunft des deutschen Films erarbeitet worden, das zweite Panel soll jetzt parallel zum Filmfest stattfinden.
Als Krönung – und darauf sind Süß und Schubert besonders stolz – wird ein Festakt mit Costa-Gavras in der Paulskirche diese Ausgabe des Lichter Filmfestes beenden.

Claus Wecker (Foto: »We Chechens«)

www.lichter-filmfest.de

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