Bildungsnotstand, Reformpädagogik, Demokratisierung und gewiss auch Summerhill. Das waren Begriffe, die in den Köpfen all derer herumgeisterten, die 1972 das dem Historischen Museum Frankfurt (HMF) angegliederte Kindermuseum realisierten. Es war ein Kind der Revolte und, kaum zu glauben, aber schön: das erste Haus seiner Art in der Bundesrepublik, wahrscheinlich sogar in Europa, wie Jan Gerchow, der Chef des Stadtmuseums, und die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig aus Anlass des bereits 50-jährigen Jubiläums erinnerten.
Bei der Grundsatzfrage, was ein solches Kindermuseum denn ausstellt, war von vornherein klar: Möglichst wenig, das man nicht anfassen darf. Und obwohl die erste Ausstellung in der »Kindergalerie« noch in Schaukästen und Vitrinen historische Spielzeuge aus der Sammlung des Hauses präsentierte, erregte sie mit einer Neuerung doch großes Aufsehen: Die Exponate wurden ausschließlich auf Augenhöhe der Kinder platziert, Erwachsene mussten sich tief bücken, um sie zu betrachten. Mehr und mehr aber wurde das Kindermuseum im damaligen Brutalismus-Bau am Römerberg zu einem Ort des spielerischen Lernens.
In den Jahren des großen Umbaus des Stadtmuseums am Römer, war das Kindermuseum in der B-Ebene an der Hauptwache untergebracht, was ihm die bis heute bestehenden Rekordzahlen an Besuchern bescherte. Zentraler geht es eben nicht. Mit seiner Rückkehr auf den Römerberg vor drei Jahren und seiner Umbenennung in »Junges Museum« (JuM) ist auch eine konzeptionelle Änderung verbunden. Nicht mehr nur Kinder, sondern auch angehende Jugendliche werden jetzt angesprochen. Überdies bezieht sich das von Susanne Gesser geleitete Haus seither stärker auf die Großthemen des Mutterhauses, die sie aus der Perspektive der Jüngsten angeht und bereichert. So ergänzt und komplettiert das Junge Museum die aktuelle HMF-Ausstellung »Frankfurt und der NS« unter dem Titel »Nachgefragt«, indem sie – unter anderem – das Kind- und Jung-Sein in der Familie, in der Schule, auf den Spielplätzen und in den Vereinen im Nazi-Frankfurt beleuchtet (s. Strandgut 12/2021).
Zum 50. Geburtstag haben sich die Museumsmacher natürlich einiges einfallen lassen. So wird es am 19. Juli eine komplette Übernahme des Hauses geben: Am »Kids Takeover Day« haben dann die Kinder in allen Abteilungen des Hauses das Sagen – englisch ist dafür keine Voraussetzung. Nicht nur der Einlass, die Führungen und die Kasse sind dann in Kinderhand, sondern auch das Backoffice inklusive des Direktoriums und der Presseabteilung. Es wird Festwoche geben, aber auch zum großen Halali am 7. November einen Festakt im Kaisersaal.
Lorenz Gatt (Foto: © Junges Museum Frankfurt, Stefanie Kösling)
Achtung neue Öffnungszeiten: Di.–So., 11–18 Uhr
www.junges-museum-frankfurt.de