23. Nippon Connection Festival: 6. bis 11. Juni 2023 in Frankfurt

Eine Gruppe von jungen Leuten erlebt jeden Montagmorgen im Büro dasselbe: Ihr Chef begrüßt sie mit den gleichen Worten, ein Vogel fliegt gegen die Fensterscheibe und stürzt ab, eine Gruppe von Fußgängern überquert in gleicher Anordnung die Straße vor dem Haus. Und so geht es weiter bis zum Wochenende, um sich in der nächsten Woche zu wiederholen. Es dauert nicht lange, bis die Angestellten bemerken, dass sie in eine Zeitschleife geraten sind. Wesentlich länger dauert es, bis sie herausfinden, woran dies liegt und wie sie wieder herauskommen können. Ryo Takebayashi hat daraus die rasante Komödie »Mondays: See You ›This Week!‹« inszeniert, die trotz der Wiederholungen nie langweilig wird: Auch wenn man vielleicht nicht jede Anspielung auf das japanische Büroleben, das offenbar kein nennenswertes Privatleben neben sich duldet, mitbekommt, wird auch dem hiesigen Publikum klar, dass es sich bei dem Film um eine einfallsreiche Parodie auf die Geschäftswelt handelt, die der Regisseur persönlich im Festival vorstellen wird.
Hat sich Takebayashi an »Täglich grüßt das Murmeltier« orientiert, so ist füt Kazuya Shiraishis »Lesson in Murder« offensichtlich »Das Schweigen der Lämmer« ein Vorbild. Allerdings fehlt Sadao Abe, der den Serienmörder spielt, die dämonische Ausstrahlung von Anthony Hopkins. Der inhaftierte Täter erregt das Interesse eines angehenden Anwalts durch die persönliche Bekanntschaft vor Jahren und eine vermutete Verwandtschaft. Die sich hinziehende Klärung der Zusammenhänge wird durch ein paar schwer erträgliche Grausamkeiten untermalt.
Das japanische Kino bringt aber noch immer meditative Filme hervor, die an die große Filmtradition des Landes anknüpfen. Dazu zählt »Mountain Woman«, die Geschichte einer jungen Frau, die im späten 18. Jahrhundert aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen wird und sich in die Berge zurückgezogen hat. Regisseur Takeshi Fukunaga wird den Film zum ersten Mal in Europa präsentieren.
Rund hundert japanische Lang- und Kurzfilme, von aktuellen Werken etablierter Regisseure über Animes bis zu Independent- oder Dokumentarfilmen, werden im Juni in Frankfurt zu besichtigen sein. Darunter sind 30 Deutschland-, 10 Europa-, 28 internationale und eine Weltpremiere. Viele Filmschaffende werden ihr Werk dem Publikum mit faszinierend höflicher Zurückhaltung vorstellen.
Der Rising Star Award für herausragende Nachwuchstalente des japanischen Kinos wird in diesem Jahr erstmals verliehen. Preisträgerin und Stargast des Festivals ist Toko Miura, bekannt aus dem oscarprämierten Drama »Drive My Car« (2021) von Ryusuke Hamaguchi. Der Themenschwerpunkt »Cityscapes And Countryside – Contrasting Lives In Japan«, den der Kulturfonds Frankfurt RheinMain fördert, beschäftigt sich mit dem Kontrast zwischen dem Leben in futuristischen Metropolen und ländlichen Regionen in Japan.
Besonders empfehlenswert ist die diesjährige Retrospektive, in der neun Filme von Keisuke Kinoshita im analogen 16mm und 35mm-Format aus dem Archiv der Japan Foundation Tokyo gezeigt werden. Kinoshita gilt mit seiner großen Experimentierfreude als Wegbereiter der Neuen Welle Japans. Er bezog in seinen Filmen schon früh entschieden Stellung gegen den Krieg und drehte den ersten japanischen Farbfilm.
Zusätzlich zu den Filmen stehen mehr als 60 Workshops, Konzerte, Vorträge, Podiumsdiskussionen, Ausstellungen und Performances in einem umfangreichen Rahmenprogramm, das die japanische Kultur abbilden soll. Auf dem Festivalgelände um Naxoshalle und Mousonturm sind Marktstände mit japanischem Kunsthandwerk, Filmen, Büchern und vielem mehr aufgebaut. Außerdem werden japanische Speisen und Getränke angeboten. Weitere Veranstaltungsorte sind das Eldorado Arthouse Kino, das Kino des DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, das Mal Seh’n Kino, das NaxosAtelier, das Internationale Theater Frankfurt und das Ruby Louise Hotel.

Claus Wecker
Foto: Nippon Retro: »She Was Like a Wild Chrysanthemum«, © 1955 Shochiku Co., Ltd.
www.nipponconnection.com

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