»Das Tove-Projekt« am Schauspiel Frankfurt

Oh, das wird interessant! Im vergangenen Jahr erlebte die dänische Autorin Tove Ditlevsen (1917–1976) mit der erneuten Veröffentlichung ihrer »Kopenhagen-Trilogie« eine weitweite Renaissance, über die sogar Patti Smith ein hymnisches Urteil fällte. Spricht hier eine Schwester im Geiste? Eine Schwester von Virginia Woolf, Sylvia Plath?
Denn nicht nur Mutter der derzeit hyperpopulären autofiktionalen Literatur, wie sie schnell etikettiert wird, ist Tove Ditlevsen mehr noch eine Frau am Rande des Abgrundes, hat man vielleicht noch nie so aufrüttelnd, unsentimental und konzentriert über die bloße Notwendigkeit einer Sucht gelesen. Ihren biografischen Romanen zufolge, die in den 1940er bis 1970er Jahren entstanden sind, durchlebt sie die Besatzung durch das Nazi-Regime fast unberührt, durchlebt Trennungen, Scheidungen, Untreue quasi stoisch. Sie ist völlig bei sich, bei ihrem Wunsch, zu schreiben und auch begehrte Frau und Mutter zu sein. Da rechnet niemand mit irgendetwas ab, und die biografische Folie: Arbeitertochter, mangelnde höhere Schulbildung, früh zum Arbeiten gezwungen – spiegelt nicht zwingend die Radikalität ihres Lebensentwurfs wider und begründet ihn auch nicht. Oder doch?
Wie bringt man das auf die Bühne? Die polnische Regisseurin Ewelina Marciniak hat sich für ihre erste Arbeit am Schauspiel Frankfurt neben der »Kopenhagen-Trilogie« auch Ditlevsens »Gesichter« ausgesucht. Sie möchte gemeinsam mit dem Ensemble die Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs und der Selbstverwirklichung einer Frau in der modernen Gesellschaft nachspüren, auch ihre Kämpfe mit der Mutterschaft. »Gesichter« handelt von einer Psychose, und hier wird die Verschiebung von Fiktion und Realität das Thema sein. Ewelina Marciniak sieht aber noch mehr: »Meiner Meinung nach ist die feministische Perspektive längst nicht mehr nur eine Sache der Frauen. In einem patriarchalischen System leiden auch die Männer. Und obwohl sich die Inszenierung auf Frauen konzentriert, gibt es hier auch viel Raum für Männer und ihre weggesperrten Gefühle.«

Susanne Asal / © Birgit Hupfeld
Termine: 2. (Premiere), 5., 7., 9., 15., 16., 24. Juni, 19.30 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert