»Amerikanisches Idyll« von Ewan McGregor

Wie eine antike Tragödie

Plötzlich sind sie wieder da, die wilden Sechziger. »Love and Peace«. der politische Kampf gegen den Vietnamkrieg und die radikalisierten Jugendlichen, die auch zur Gewalt greifen. Um des Friedens willen, wie sie damals glaubten. Es sind die Kinder bürgerlicher Eltern, die da die friedliche Idylle zerstören.

Mit den besten gesellschaftlichen Aussichten startet der »Schwede« seine Karriere schon an der Highschool. Seymour Levov kommt aus einem jüdischen Elternhaus, Vater Lou ist ein reicher Handschuhfabrikant, einer, der es zu etwas gebracht hat. Seine Vorfahren waren arme jüdische Einwanderer, die ihre Chance genutzt haben. »Schwede« wird Seymour genannt, weil er groß gewachsen ist und seine Haare blond schimmern. Es versteht sich von selbst, dass er eine Sportskanone ist und von den Mädchen angehimmelt wird. Ewan McGregor spielt dieses Muster eines amerikanischen Jünglings, und er hat auch gleich selbst die Regie dieser Verfilmung eines Philip-Roth-Romans nach einem Drehbuch von John Romano übernommen.
Die Geschichte von Seymours zerstobenem amerikanischen Traum bekommt Nathan Zuckerman (David Straithairn), der seinerzeit zu dessen Bewunderern gehörte, von Seymours Bruder Jerry (Rupert Evan) bei einem Ehemaligen-Treffen der Schule erzählt. In einer langen Rückblende erfahren wir, wie Seymour die Schönheitskönigin und gläubige Christin Dawn Dwyer (Jennifer Connelly) heiratet, die Fabrik seines Vaters übernimmt und von dem jüdisch geprägten New Jersey ins protestantische Old Rimrock zieht. Nur die kleine Tochter Merry (Ocean James) gibt mit ihrem Stottern Anlass zur Sorge. Offen bleibt, ob sie gegen die Mutter rebelliert. Konkurrenz gibt es allemal. Im Film verweigert der Vater einen Kuss auf den Mund, den sie fordert.
Aus dem unsicheren Mädchen wird schließlich eine rebellische Heranwachsende (Dakota Fanning), die sich militanten Vietnamkriegsgegnern im Untergrund anschließt. Der Anschlag auf ein Postamt (im Film eher wie eine Tankstelle aussehend) führt zur Hausdurchsuchung bei den Levovs. Das Ansehen der Eltern, die nicht wissen, wo sich ihre Tochter aufhält, ist dahin.
Für den Vater, der sehr an Merry hängt, kommt es noch schlimmer. Seine Frau betrügt ihn, und er findet schließlich Merry als völlig verarmte, fernöstlich orientierte Aussteigerin, die sein Hilfe ablehnt.
Mit einer erlesenen Kamera (Martin Ruhe) und der dramatischen Musik von Alexandre Desplat verdichtet McEwan den komplexen Roman, für den Roth den Pulitzer-Preis erhalten hat, zu einem mitreißenden Melodram. Wie alle großen Melodramen interessiert sich »Amerikanisches Idyll« auch nicht für eine Analyse der politischen Ereignisse. Der Film gleicht eher den antiken Tragödien, in denen das Schicksal mit Wucht in das Leben der Protagonisten eingreift. Und das ist auch heute noch sehr eindrucksvoll mitanzusehen.

Claus Wecker
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AMERIKANISCHES IDYLL
(American Pastoral)
von Ewan McGregor, USA 2016, 126 Min.
mit Ewan McGregor, Jennifer Connelly, Dakota Fanning, Uzo Aduba, David Strathairn, Molly Parker
nach »Amerikanisches Idyll« von Philip Roth
Drama
Start: 17.11.2016

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