Zwischen Kunst und Kommerz
Zwei Preisverleihungen gibt es, die weltweit als das Nonplusultra auf ihrem Gebiet gelten: die Nobel-Preise und die Oscars. In jedem Jahr liefern die Oscars so viel Diskussionsstoff wie beispielsweise der Literatur-Nobelpreis. Wer wird ihn bekommen, und haben ihn schließlich die Richtigen bekommen? Doch während bei den Skandinaviern ein Komitee für die Ehrungen zuständig ist, wählt in Kalifornien die Gruppe der Kollegen aus ihrer Mitte den Preisträger.
Es fing 1927 mit der Gründung einer Akademie an. The Academy of Motion Picture Arts and Science geht auf eine Initiative der Studiobosse zurück. Es galt, die Filmkunst zu fördern, eben mit der Verleihung eines Preises für herausragende Leistungen. Und so entstand die jährliche Auszeichnung mit dem Academy Award, wie der Oscar offiziell heißt. Da die Filmindustrie den Preis ins Leben gerufen hat und ihn bis heute tatkräftig sponsert, ist praktisch in jedem Jahr ein Spagat zu beobachten zwischen dem erfolgreichsten und dem – um einmal eine deutsche Bewertung zu zitieren – »besonders wertvollen« Film. Im günstigsten Fall geht beides zusammen wie bei William Wylers »Ben Hur«, manchmal gibt es auch richtige Überraschungen, als etwa »Shakespeare in Love« und nicht »Saving Private Ryan« die Trophäe für den Besten Film gewann. In der Regel werden amerikanische Produktionen ausgezeichnet, seltener englische, für die anderen hat man den Oscar für den fremdsprachigen Film eingeführt. Den bekommen übrigens die Regisseure, während die Statue für den Besten Film den Produzenten in die Hand gedrückt wird. Die Regisseure haben ihren eigenen Oscar. Nun ist es interessant, ob der Regisseur des Besten Films selbst auch ausgezeichnet wird oder ob die Hauptdarsteller, männlich und/oder weiblich, auch in ihrer Kategorie gewinnen. Das kann man auf Drehbuchautoren, Kameraleute und andere künstlerische Mitarbeiter erweitern. So kommen die Häufungen von Academy Awards für einen Film zustande. Der erwähnte »Ben Hur« hält den Rekord von elf Oscars, ebenso wie »Titanic« und der zweite Teil von »Herr der Ringe«.
Um alle Aspekte der 85-jährigen Geschichte dieser Preise abzuhandeln, könnte man mindestens drei Museen füllen. Deshalb haben sich Direktorin Claudia Dillmann und die beiden Kuratoren Jessica Niebel und Michael Kinzer dafür entschieden, sich auf die Kategorie »Bester Film« zu beschränken. Jedes Verleihungsjahr wird in der Ausstellung des Deutschen Filmmuseums auf einer Zeitleiste gewürdigt. So erfahren die Besucher, welche Filme in jedem Jahr nominiert waren und welcher schließlich prämiert wurde. Dazu sind jeweils ein Exponat aus dem Produktionsprozeß eines der nominierten Filme sowie ein Ausschnitt von der Verleihung zu sehen. Auch so kommt man locker auf eine Auswahl von 500 Filmen und darf sich rühmen, »die weltweit erste umfangreiche Ausstellung zum Thema Oscar« zu veranstalten, die sogar von den Amerikanern übernommen werden soll.
In neun Themenblöcken, jeweils gekrönt von einer Oscar-Statue, werden u.a. abgehandelt: »Oscars vergessene Filme«, »Oscars Rekorde«, »Oscar im Krieg«, »Oscars Wirkung« oder »Oscars Show«, die im Lauf der Zeit immer bombastischer wurde. Ein Brief von Gary Cooper, der sehr früh Mitglied wurde, ist zu sehen. Cooper bewies Jahre danach seinen Mangel an prophetischem Gespür, als er annahm, der spätere Oscar-Gewinner »Gone with the Wind« werde der »größte Flop der Geschichte«. Um die Fülle des Materials in aller Ruhe zu betrachten, sollten die Besucher der Ausstellung auf jeden Fall viel Zeit mitbringen.
Claus Wecker