Auf gut Glück mit Dea Loher
Das Abendland geht unter, das Morgenland steht in Flammen, und der Rest der Welt hängt in den Seilen – nur in Bockenheims Basaltstraße lässt man sich davon nicht irritieren. Das Freie Schauspiel Ensemble FSE sieht in seiner Spielstätte Titania die Zeit gekommen, über »Glück« nachzudenken. Das hört sich nur vorderhand abwegig an. Denn denkt man sich den globalen Spaßverderb mal weg, wie es die meisten ohnehin tun, dann scheint das Glück, bzw. was man dafür hält, der große Antrieb für all die Geschäftigkeit um uns herum. Wenn freilich auch in Warenform – heute. Früher, besser, ganz früher hätten die Menschen das Jenseits als ihren Ort der Glückseligkeit erkannt, geben uns die Theatermacher zu Bedenken. Doch habe sich das nach dem Verlust des Glaubens an die Erlösung im Paradies grundlegend geändert: »Sie wollen hier und heute glücklich sein«. Und was sie dazu bräuchten, das erführen sie aus der Werbung.
Weil aber auch das Glück in Warenform sich vor dem Hintergrund von Ressourcenraubbau und Klimawandel als fadenscheinig erweise, erhebe sich die Frage, was es denn sonst heißt, glücklich zu sein wie von selbst. »Was braucht der Mensch dazu?« und »Was hindert uns daran, glücklich zu sein?«. An den Antworten darauf versucht sich das FSE in der neuen Spielzeit. Mit Dea Lohers Drama »Unschuld« und Ingrid Lausends Solo »Der Weg vom Glück« tragen zwei Theaterstücke zur Glücksfindung bei, denen im März 2016 ein eigenes Projekt (»Das Glück rennt hinterher«) mit Frankfurter Bürgern jeglicher Provenienz und jedes Alters folgen soll.
Am 6. September gibt das jährliche Theaterfest des Ensembles ein erstes Glücksversprechen. 14 Tage drauf, am 19. September hat dann Dea Lohers »Unschuld« Premiere. Die 2004 am Thalia Theater in Hamburg uraufgeführte dramatische Charakterstudie, die auch schon als »Freak-Show« bezeichnet worden ist, verknüpft die traurig-absurden Geschichten von acht ziemlich randständigen Menschen und ihren Träumen miteinander. Etwa die des illegalen schwarzen Migranten Fadoul, der aus Angst vor der Abschiebung nur zusieht, wie eine Frau sich im Meer ertränkt, mit der der blinden Stripperin Absolut. Wer am Schauspiel »Das Gaunerstück«, oder bei Regina Busch »Das letzte Feuer« gesehen hat, wird die Handschrift erkennen.
Man darf gespannt sein, wie sich das FSE unter der Regie von Reinhard Hinzpeter mit dem nicht eben optimistischen Stoff schlägt, dessen Aufführung in Bremen von der Autorin untersagt worden war, weil man einer ihrer Figuren die Existenz beschnitt, und in Berlin den Anlass für die deutsche Black-Facing-Debatte gab. Ein Farbiger ist jedenfalls nicht in der fünfköpfigen Besetzung (Michaela Conrad, Jochen Döring, Naja Marie Domsel, Bettina Kaminski und Mario Linder).