Das schwarze Loch Demenz
Es fängt wie eine Liebesgeschichte an. Janek, der gut schwimmt und mit seinem Opa sogar für Wettkämpfe den Delphinstil trainiert, aber grottenschlecht in Englisch ist, lernt Anna kennen, die neu ist in der Klasse, prima Englisch kann und malt. Und es wird mit dem üblich holprigen Anlauf auch eine, wenn auch altersbedingt kleine Liebesgeschichte. Janek und Anna sind grad mal zwölf und fürs Erste wohl, wenn der Vorhang fällt, beste Freunde.
Janek lebt bei seiner überarbeiteten Mutter, den von ihr geschiedenen Vater sieht er kaum. In das Zentrum von Petra Wüllenwebers Drei-Personen-Stück »Am Horizont«, das nun in einer Produktion der Theaters Skyline im Kellertheater zu sehen ist, rückt freilich bald Janeks Verhältnis zu seinem geliebten Großvater, der sogar schon bei den Olympischen Spielen mitgemacht hat. Was er bei Opa zunächst für kleine sympathische Aussetzer hält, erweist sich schnell als frühe Stufe der Alzheimer-Krankheit und nimmt bald bedrohlichere Formen an. »Ein schwarzes Loch«, das immer größer werde und immer mehr verschlinge, gesteht er eines Tages Janek sein Leiden. Die Autorin schickt den Enkel auf eine harte Reise und zeichnet dabei die Stadien und Symptome der Demenz nach, ohne ihr junges Publikum überzustrapazieren. Indem sie Janek über alle Hürden des Verlustes und der Loslösung hinweg Anna als Freundin gewinnen lässt, hält sie ihr Stück fern von jeder Beschönigung in emotionaler Balance.
Unter der Regie von Jan Schuba genügen drei simple quadratische blaue Würfel, die mal als Schwimmbeckenpodest, als Kiste oder als Schulbank ausgewiesenen Stationen dieses Dramas zu imaginieren. Klar, dass die Sympathie des Publikum mit Vollrath-Kühnes verunsichertem Janek und natürlich mit Anna gehen, die Susanne Lammertz – einmal mehr wie aus dem Jungbrunnen – als Good-Girl auf die Bühne hebt. Überragt wird das Duo freilich von Walter Jauernichs kantigem Großvater, den er im Zorn, verzweifelt, väterlich, aber auch kumpelhaft zu geben weiß. Der vielen aus der Schmiere vertraute Kabarettist zieht beeindruckend ernste Saiten auf und sorgt auch bei den Erwachsenen für Rührung. Dass im jungen Publikum so mancher auch mal an der falschen Stelle lacht, ist durchaus gewollt und nicht zuletzt ein Resultat des guten Zusammenspiels. Die regelmäßigen Diskussionen nach den von der Alzheimergesellschaft unterstützten Aufführungen machen bisher jedenfalls deutlich, dass das Thema für viele zum Alltag gehört. Empfohlen für Kinder ab zehn Jahren. Aber sehr!