Eros in der Wathose
August Strindbergs weltberühmte Erotik-Tragödie »Fräulein Julie« reizt auch 128 Jahre nach der Uraufführung noch die Regisseure. Im Strandgut 12/2015 wurde angekündigt, Jungregisseur Daniel Foerster werde sich ihrer mit Georges Bataille (»Heiliger Eros«) im Kopf annehmen. Nicht die gesellschaftlichen, sondern die sexuellen Machtverhältnisse stehen im Vordergrund, wenn die Adelstochter Julie sich in der Johannisnacht mit dem Diener Jean einlässt. Uralte Wörter wie Wollust, Gier und Lüsternheit ruft seine Inszenierung in der Studiobühne Box des Frankfurter Schauspiels wach.
Schon in der ersten Spielszene quillt mit den Protagonisten die Begierde aus den beiden Gullys im Bühnenverschlag. Sie glitzert lüstern in den kajalschwarzen Augen von Katharina Bachs Julie, die sich katzenhaft geschmeidig und gebückt im engen Raum auf ihr Opfer zubewegt. Und sie packt auch den zunächst noch naiv wirkenden Diener, der sich wie eine Robbe bewegt (schonungslos mit sich selbst: Alexej Lochmann). Die erste von drei erotisch besessenen Choreografien mündet in der Küche des Hauses, dem Reich von Jeans Verlobter Christine.
Als blassblauer Kegel bar jeder weiblichen Form mit bleichem Gesicht ist Verena Bukal fast nicht zu erkennen: Anders als bei Strindberg, dessen Vorwort sie köstlich zitiert (»Im Übrigen bin ich ja nur eine Nebenfigur, mit Absicht nur skizziert«), scheint Christina bestens über das Geschehen um sie herum informiert. Sie reicht den einander Verfallenen das enthemmende Bier, zieht sich diskret zurück und weiß um die Wiederholung des immer Gleichen, wenn sie das letzte Wort hat mit Nietzsches Zarathustra: »Denn alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit«. Und alles geht wieder zurück auf Start.
Zuvor aber, soviel ist klar, müssen im Taumel der Erregung die Hüllen fallen, die schwarz glänzende Wat-hose vom massigen Meatloaf-Körper Lochmanns und das glitzernde Mieder von den zarten Gliedern der wunderbaren Katharina Bach. Und natürlich kommt auch diese Inszenierung nicht ohne symbolhafte Beschmutzung und Besudelung aus. Etwas weniger Geschrei und Getöse hätten der Inszenierung, trotz der beachtlichen musikalischen Repertoirebreite von Black Sabbath bis Händel, nichts von ihrer Eindrücklichkeit genommen.