Die sich den Wolf tanzt
Achtzehn Jahre jung ist Alex. Sie arbeitet tagsüber als Schweißerin und tanzt sich nachts in einem Club die Seele aus dem Leib. Ihr großer Traum ist es, in die Pittsburgh Conservatory of Dance aufgenommen zu werden. Was ihr dank einer Liebesaffäre mit ihrem Chef Nick und viel Talent am Ende auch gelingt. Mit Jennifer Beals in der Hauptrolle kam der Film von Adrian Lynne 1983 in die Kinos und wurde besonders durch den Soundtrack und die abschließende Tanzszene ein Welterfolg. Der Kritik hat »Flashdance«, wie das »Lexikon des internationalen Films« verrät, weniger gut gefallen: ein »Nichts an Story (mit) soziologisch lachhaftem Hintergrund« und »spielerisch anspruchslose Unterhaltung«, wird dem Film dort bescheinigt
Gleichwohl wurde er bald für die Bühne adaptiert und 2008 in Plymouth, England uraufgeführt. Die deutschsprachige Premiere fand 2013 in Luzern statt. In Bad Vilbel ist das Tanzmusical in der Regie von Christian H. Voss zu sehen, der im Vorjahr die Wasserburg mit den »Blues Brothers« rockte. Und wie da, so wird auch bei »Flashdance« sofort mitgesummt und -geklatscht. Und natürlich fehlt weder der Schluss mit dem Tanz unter dem Wasserfall, der sich über Alex (Julia Waldmayer) ergießt, noch die Szene, in der sie sich unter einem weiten Pullover auf wunderbare Weise ihren BH auszieht, ihn aufs Sofa knallt und damit Nick (Tim Al-Windowe) völlig aus der Fassung bringt.
Die Hits, die in den 80er-Jahren zum Kult wurden und noch heute so manchen verzücken, werden englisch gesungen. Ausdrucksstark die Choreografie zu »I love Rock’n‘ Roll«, bei der die Frontfrau Nadine Aßmann alias Kiki beeindruckt. Wie überhaupt die Tanzszenen das Herzstück des Abends sind und immer wieder Begeisterung auslösen. Nicht ganz das Niveau der Filmmusik von Giorgio Moroder erreichen die neu komponierten Songs (auf Deutsch) und bedienen mehr Klischees als nötig wäre. Überhaupt wirkt das Musical in seinem Versuch, ernste Themen darzustellen (Entlassung von Fabrikarbeitern, sexuelle Ausbeutung von Frauen, Klassenunterschiede), etwas bemüht und nicht frei von Kitsch.
Richtig fesselnd wird es indes immer, wenn der Tanz zum Thema wird. Wie bei der Frage nach seiner wahren Bedeutung auf dem Bewerbungsbogen der Tanzakademie, die Alex mit »Leidenschaft« beantwortet und ihre Lehrerin Hannah (Barbara Goodman) mit »Schmerz«. Beides, Schmerz und Leidenschaft, nimmt man den beiden wirklich ab: der alt gewordenen Tänzerin, der das jahrlange Training in den jetzt morschen Knochen steckt, wie der jungen, für den Tanz brennenden Frau am Anfang ihrer Karriere.
Goodman verleiht ihrer Figur etwas Schrulliges mit einer Mischung aus Strenge und Liebenswürdigkeit. Sonja Hermann ist als Ms. Wilde eine gut gezeichnete Tanzlehrerin und Jurorin mit Sinn für Schräges und Raphael Koeb verkörpert als C.C. den etwas schmierigen Besitzer eines Amüsierschuppens auf fabelhafte Weise. Ihre Auftritte sind kleine Highlights in dem gut zweieinhalbstündigen Abend. Die Musik kommt zwar vom Band, wurde aber unter Leitung von Stephan Ohm mit sechs Musikern eigens eingespielt. Die Bühne (Stefan Knöll, Matthias Hoff) ist karg doch funktionell und für die Aufführung stimmig: ein Schminktisch steht für die Garderobe der Tanzgirls, ein paar Barhocker für Clubatmosphäre, und eine Wellblechinstallation mit verschiebbaren Türen dient als Nightclub, Fabrikloft oder Werkshalle.
Höhepunkt des Abends ist die Choreografie, mit der Alex ihre Aufnahmeprüfung besteht. In dieser fast fünfminütigen Performance aus Jazztanz, Breakdance und Showelementen läuft dann auch Julia Waldmayer zur absoluten Höchstform auf. Da gibt es im Publikum kein Halten mehr: What a feeling!