Jetzt auch noch Belgier
Schon wieder einer, der Deutscher werden will. Und wie die meisten von diesen, lebt Herr Kamagurka, den wir auch unter seinem Namen Luc Seebroek nicht kennen, bereits mitten unter uns. Anders aber als viele Artgenossen, so versichern uns seine Einbürgerungshelfer vom Caricatura-Museum, könne Kamagurka seinen Unterhalt selbst bestreiten: mit Witzen! Das klingt zwar albern, ist aber ernst. Mit der Kampagne »How To Become A German – Die Deutschwerdung des Kamagurka« wollen die Experten für komische Kunst den Nachweis der Deutschbarkeit des belgischen Ausländers erbringen. 51 Gemälde, 164 Cartoons, zwei Skulpturen, sowie diverse Film- und Fernsehaufzeichnungen und Comics werden im Caricatura-Museum als künstlerische Zeugen seines immensen Fleißes, aber auch seiner tiefen Ordnungsliebe, seiner Pflichtbesessenheit wie seiner Pünktlichkeit in sekundärtugendhafter Reihung vorgestellt. Drumherum veranstaltet das Haus Zeichenausflüge mit dem Künstler auf die Zeil und manches Komische mehr.
Ob das »transparenteste aller Asylverfahren« genügen wird, Belgiens »einzigsten« Karikaturisten zum Deutschen zu machen, bleibt dahingestellt. Schließlich mutet uns der 58-Jährige immer wieder tiefe Einblicke in unsere körperliche Beschaffenheit zu und schreckt dabei auch vor Genitalien nicht zurück. Mehr noch wird den Bundesbürger verstören, dass er Ihro Königliche Hoheit Prinzessin Beatrix der Niederlande in neorealistischer Rücksichtslosigkeit überlebensgroß mit starkem Damenbartwuchs und einer ins Schweinische gehende Nase als King Beatrix porträtiert. Was will er uns damit nur sagen? Warum tut er uns das an?
Es wundert folglich nicht, dass Kamagurka in seiner Wiedergabe von Momenten persönlicher Schicksalhaftigkeit weder politische noch religionspolitische Themen scheut. Was geht in einem Selbstmordattentäter vor, der sich fragt, ob er nicht schon zu alt sei für Dynamit? Und selbstverständlich macht der Belgier weder vor dem Kreuz, noch vor unserm Herrn Jesus einen Halt und schlägt sich in einer der entscheidenden existentiellen Fragen der Menschheit, ob das Ei oder die Henne zuerst gewesen sei, ungerührt und eindeutig auf die Seite des Eigelbs.
Vorgestellt wird überdies die von Kamagurka erfundene Kunstrichtung des Akzidentismus, die im belgischen Fernsehen bereits erprobte wurde. Dort stellte der Künstler mit hoher Trefferquote in der Phantasie entwickelte Porträts vor, um die solchermaßen Porträtierten dann öffentlich zu suchen. Eine seiner Skulpturen kann als Urform der Ice Bucket Challenge betrachtet werden und zeigt einen Mann im schwarzen Anzug mit kopfgestülptem Eimer voller Eisbrocken. Die Plastik zitiert einen Racheakt des Freundes einer Ex-Miss Belgien, über die der Kunstkritiker Hans Roe in seiner TV-Sendung mit Blondinenwitzen hergezogen war. Trotzdem könnte für die Einbürgerung eher entscheidend sein, dass Kamagurka mit seinem Auto endlich als Mitglied einer Volksgemeinschaft, die Weltmeister im Fußball ist, mit 250 km/h über die Autobahn brettern will, biertrinkend, versteht sich.