Das Archäologische Museum Frankfurt fragt »Kelten in Hessen?«

Es ist das Fragezeichen im Titel, das die Sonderausstellung des Archäologischen Museums »Kelten in Hessen?« so besonders macht. Und das fast danach aussieht, als wollte man hier den Keltenfürsten in der Wetterau als Herkunftsschwindler entlarven. Infrage stellen wollen die Ausstellungsmacher indes weniger, ob es die diesseits des Rheins vor allem in Bayern und Baden-Württemberg heimisch geltenden Kelten überhaupt bis nach Hessen schafften, als einen allzu gefälligen oder gar interessegeleiteten Umgang mit begrifflichen Zuordnungen.
Denn mangels schriftlicher Zeugnisse ist es völlig unklar, ob die zahlreichen als Kelten bezeichneten Gruppen, Völker oder Stämme, die im vorchristlichen Millennium bis in unsere Gegend siedelten, sich selbst überhaupt jemals so nannten oder gar empfanden. Dazu stellt der Kurator der Schau, Museumsdirektor Wolfgang David, vorab klar: »DIE Kelten hat es ebenso wenig gegeben in der Geschichte wie DIE Germanen.« Vielmehr handele es sich um eine Fremd-, eine Sammelbezeichnung und eine vorzüglich im 19. Jahrhundert kultivierte ethnografische Ordnungsgröße.
Wer die Ausstellung im alten Mittelbau des Karmeliterklosters besucht, wird denn auch reichlich mit Informationen bedient und zunächst erfahren, dass sämtliche Namen und Benennungen der Bewohner nördlich der Alpen von den griechischen und römischen Eroberern und ihren Historikern stammen und häufig synonym oder mit wechselnder Bedeutung verwendet wurden. Da tauchen mal Ubier und Sueben auf, dann wieder Gallier, Skythen oder Galater und die ihnen zugeordneten Gebieten Keltiké, Gallia, Galata; als erste Hessen galten den römischen Geschichtsquellen aus den Germanenkriegen des Augustus und Tiberius (27 v. C.–37 n. C) zufolge jedenfalls lange die germanischen Chatten. Bis Funde auf weitaus ältere Herkünfte stießen.
Die chronologisch angelegten Vitrinen der Ausstellung zeigen vor allem Hinterlassenschaften aus den zahlreichen im vorchristlichen Jahrtausend angelegten Grabhügeln unserer Region, ergänzt durch Leihgaben aus Norditalien und Lausanne. Spangen, Fibeln, Kämme, Pinzetten, Nagelschneider, Ohrlöffel, Bestecke, Trinkbecher, Textilien und Schwerter aus den Grabbeigaben wie auch das Monumentale der Gräber selbst legen intensive Beziehungen nicht nur des Handels bis hin zu Migrationshintergründen ins Alpine und römisch Cisalpina, der bis nahe der Zeitenwende zu Gallien gerechneten Poebene, nahe, wo sich unter anderem keltische Boier mit den Etruskern gegen Rom verbündet hatten. Vieles von dem, was in den Gräbern von Rödelheim, Praunheim, Eschersheim oder auch im Stadtwald entdeckt worden ist, wird der Hallstattzeit (ab 800) und der ihr folgenden Laténe-Kultur zugerechnet, jener um 450 vor unserer Zeit anhebenden Epoche, deren Bezeichnung sich auf Entdeckungen in La Tène am Neuenburgersee in der Westschweiz stützt. Das Keltische im Hessischen, so wird festgestellt, lässt sich als Kommunikationssystem auch wohl erst für diese Zeit behaupten – den um das 5. Jahrhundert vor unserer Zeit datierten Keltenfürsten vom Glauberg und seinen Jüngern zum großen Trost.
Die Ausstellung folgt darin dem aus Friedrichsdorf stammenden Universalgelehrten Édouard Desor. und widmet diesem gar einen ihrer Schwerpunkte. Der aus politischen Gründen (Teilnahme am Hambacher Fest) des Landes verwiesenen Keltenforscher wirkte in den USA und Kanada als Geologe, bevor er sich in der Schweiz niederließ und dort sogar Nationalratspräsident wurde.

Lorenz Gatt / Foto: Bronzekämme aus Fechenheim und Oberursel, © AMF

Bis 30. Oktober: Mi., 10–20 Uhr; Do.-So., 10–18 Uhr
www.archaeologisches-museum-frankfurt.de

 

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