Niederträchtige Intrigen, Standesdünkel und ein doppelter Liebestod: Schillers bürgerlichem Trauerspiel »Kabale und Liebe« mangelt es nicht an Dramatik. Die gelungene Inszenierung von Johanna Wehner am Wiesbadener Staatstheater unterstreicht dies mit ihrer eigenen aufwendigen Textform, die wie eine verschriftlichte Choreografie daherkommt: Dieselben Parolen oder ganze Sätze werden von verschiedenen Personen vorgetragen, stellenweise im Chor, auch zeitlich versetzt wie ein Kanon. Manche Wiederholungen wirken gar formelhaft: Ferdinand, mitreißend gespielt von Tobias Lutze, kann seine Verbundenheit (oder vielmehr Besitzansprüche?) »Du bist meine Luise« nicht oft genug betonen. Doch das frisch verliebte Paar wird schnell von der Realität und dem Machtkalkül von Ferdinands Vater, dem Präsidenten (Janning Kahnert), sowie der Heimtücke des um Luise buhlenden Konkurrenten Wurm eingeholt.
So düster wie die Geschichte ist auch das Bühnenbild gestaltet (Bühne: Volker Hintermeier): Schwarze hintereinander wild aufgereihte Podeste dienen als Spielfläche. Dabei ist jedes eine Bühne für sich, die in den unterschiedlichsten Konstellationen bespielt wird. Jede Figur steht mal vorne oder hinten, ist mit Mitspielern oder auch alleine auf seiner Insel. Die Welt des absolutistischen Hofes und die des Kleinbürgertums liegen dicht beieinander, sie scheinen teilweise zu verschmelzen, wenn sich beide Väter einig sind, dass die Beziehung ihrer Kinder beendet werden muss. Doch zu einer Überwindung der Standesgrenzen kommt es nicht.
Graue rechteckige Platten, die sich an Seiten und Decke befinden, unterstreichen den geringen Handlungsspielraum der Protagonisten. Entsprechung und Gegensatz als Leitmotive – nicht nur sprachlich, sondern auch bildlich. Die fein durchdachten Kostüme (Su Bühler), die sich nur in Kleinigkeiten unterscheiden (mal fehlt hier ein Ärmel, dort ist es ein Rüschchen mehr), verstärken diesen Eindruck. Ein paar Momente durchbrechen die vorherrschende, düstere Atmosphäre und entlocken den Zuschauern das ein oder andere Schmunzeln. Musiker Miller (Benjamin Krämer-Jenster) etwa, der wie Udo Lindenberg gekleidet ist, oder auch Hofmarschall Kalb (Felix Strüven), der das Klatschweib mimt und als außerhalb der Handlung stehende Person durch den Abend führt. Er bildet einen erfrischenden Gegenpart zum perfiden Wurm (Atef Vogel), der das Liebespaar intrigant gegeneinander ausspielt, sodass es erst im Tod wieder zueinander findet. Das Ende ist bekannt, und doch zeigt die Aufführung, dass nicht ausschließlich ein Kampf von Adel gegen Bürgertum oder Liebe gegen Vernunft gezeigt wird, sondern vor allem ein Kampf gegen das eigene Schicksal. Luise (Mira Benser) kann genauso wenig gegen die Verhältnisse ankämpfen wie Lady Milford (wunderbar: Karoline Reinke), die sinnbildlich an der Last ihrer Diamanten, die wie schwere Eisenketten an ihr herunterhängen, zugrunde geht. Ein fesselnder Abend, der von einer außergewöhnlichen Inszenierung getragen wird.