»Der Raub der Sabinerinnen« am Schauspiel Frankfurt in der Regie von Christina Tscharyiski

Der Herr Professor Gollwitz hat sich einen Spaß gemacht und jugendsündenmäßig ein Theaterstück zur Antikentragödie vom Raub der Sabinerinnen verfasst. In seinem gutbürgerlichen Haushalt teilt niemand seine Liebe zum Theater, außer der Haushälterin. Die Gattin hält das für halbseidenes Zeug. Sie weilt auf Kur – wo sonst? –, als Wandertheaterdirektor Striese dem Herrn Professor einen Besuch abstattet, das Stück entdeckt und unbedingt aufführen will, weil sich mit der Prominenz des stadtbekannten Professoren-Autors bestimmt Kohle machen ließe. Geht alles nicht so gut aus, aber dann doch.
Das Stück ist alt. Aber dafür kann es ja nix. Viele Theaterstücke sind noch viel älter und werden auch noch gespielt. Doch »Der Raub der Sabinerinnen« von Paul und Franz Schönthan aus dem Jahr 1884 sieht aber leider auch alt aus. Hier klebt so viel Staub daran, dass man Funken zum Schlagen bringen müsste, um diese Schicht verschwinden zu lassen. Wenn die Funken nicht stieben, dann sieht man bloß: ein müdes Stück mit vergessenem Verfallsdatum.
Gut, es wird dem ewigen unangefochtenen Kritikerpapst Alfred Kerr zugeschrieben, gesagt zu haben, er habe bei der Uraufführung unterm Stuhl gelegen vor Lachen. Aber das war 1884, ist also auch schon eine Weile her. Und dann stellt sich schon die Frage, sollte sich, müsste sich, stellen, wenn ein Schwank aus dem Jahr 1884 voller Klischees der allerersten Sorte heute noch auf die Bühne kommt, ob man dann tatsächlich unterm Stuhl liegen kann, soll, muss vor Lachen.
Mal sehen. Paul und Franz Schönthan hatten also Theater im Theater im Sinn. Ist ja auch eine lustige Idee. Und es fängt gleich gut an: Heidi Ecks eröffnet den Abend und entblättert ein Programmleporello des Schauspiel Frankfurt. Man stellt sich auf weitere selbstreflexive Lustbarkeiten ein. Wär’ doch toll, wenn die Weber-Truppe sich mal selbst ganz gehörig auf die Schippe nähme. Der Schwank ist da dehnbar, der gäbe es her.
Dann kommt Wolfram Koch – auf den ersten Blick eine Bernhard- Bub-Parodie, der große Zampano des Antagon Theaters, der jeden Sommer an der Weseler Werft lässig tatsächlich die Funken sprühen lässt. Wolfram Koch also zieht als Theaterdirektor Striese ein ausgestopftes Lama hinter sich her und verortet sich von da an sofort als halber Zirkusdirektor. Das passt natürlich super (auch zu Frankfurt). Und dann legt er los mit seiner Performance. Er kann alles, wirklich alles, er kann alle Register ziehen, schmierig, lustig, verwegen, vorlaut, dumm, eitel, aber: muss er es auch zeigen? Vor allem: Die weiteren Mitspieler so alt aussehen lassen? Wer nicht sofort aus dem Stand in seiner Rolle »sitzt« wie in seinem Element, sondern sie »entwickelt«, hat schon verloren. Ein Schwank braucht nun mal betonfeste Konturen für sein Personal, das dann, wenn alles gut geht, sozusagen ein Pingpongspiel daraus fabriziert. Super macht das Michael Schütz als frankforderisch schwadronierender Weinhändler, super macht das auch Marc Tumba als sein Hallodri-Sohn. Einigermaßen plausibel kriegt das auch Christoph Pütthoff mit ein paar super gelenkigen Sofasprüngen hin. Humorlos soll er sein, in einem Schwank ist das eigentlich die dankbarste Rolle. Christina Geiße versucht sich erfolgreich an der strengen Professoren-Gattin, der sie ein paar Domina-Elemente mitgibt. Die anderen bleiben da auf der Strecke. Manja Kuhl trägt ihre Rolle vor sich her. Da stieben keine Funken, es ist zuweilen sogar anstrengend, ihnen beim Ausfüllen ihrer Rollenklischees/Klischeerollen zuzuschauen. Denn eigentlich spielen sie hier alle Theater und sich gegenseitig gehörig etwas vor.
Professor Gallwitz (Isaak Dentler) ist trottelig, Haushälterin Rosa (Heidi Ecks) fuchtelt stets mit dem Staubwedel, wobei ihr Lederrock ein bisschen frivol für eine Haushälterin, aber gut für einen Schwank ist. Der müsste jetzt aber wirklich funkenschlagend spritzig inszeniert sein, dass einem Hören und Sehen vergeht. Aber hier schlagen hauptsächlich die vielen boulevardesken Kulissentüren, was für einige hübsche Effekte sorgt, aber auch nicht mehr.
Für die wirklich geniale Schlusspointe schlägt man nun etwas zittrigere Töne an: Das tröge Professoren-Stück (das man übrigens nie sieht!) wurde kräftig ausgebuht und kam nur halb zur Aufführung, weswegen die patente Theaterdirektorgattin Striese einfach irgendetwas Abgenudeltes als Ergänzung auf die Bühne gebracht habe, und das Publikum habe getobt vor Vergnügen! Erzählt man uns von der Bühne herab.
Das schafft das Frankfurter Ensemble dann auch noch: mit einem famosen Schlusskonzert, auf dem wirklich alle noch mal alles geben. Es möchte gerne nach Berlin, zum Theatertreffen, dem Schauspiel-Gipfelpokal. Gute Idee! Und wär’ doch Klasse! Die Eintracht schafft es in diesem Jahr leider nicht mehr.

Susanne Asal / Foto: © Birgit Hupfeld
Termine: 14., 18., 22. März, 19:30 Uhr; 17. März 18 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert