»Die schmutzigen Hände« am Schauspiel Frankfurt

Es beginnt mit einem pochenden Herz, einem versehrten Herz. Noch während die Zuschauer *innen ihre Plätze suchen, schlägt es einem in einem rot ausgeleuchteten Drahtkäfig riesig entgegen, und so gerne man den Blick senken möchte, es klappt nicht. Man kann nicht wegsehen, man kann nicht ignorieren. Und schon ist das Stück da, bevor es überhaupt losgeht.
»Die schmutzigen Hände« von Jean-Paul Sartre kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geschrieben, spielt im fiktiven Staat Illyrien im Jahr 1943 und verhandelt zwei fundamentale politische Thesen: auf der einen Seite die Disziplin einer revolutionären Doktrin, die nur durch stringente Anwendung Erfolge erzielen kann und auch Mord als geeignetes Mittel zulässt, und einer Haltung, die, um an der Macht teilzuhaben, auch Kompromisse mit politischen Kontrahenten eingeht. Die kommunistische Partei steht vor der Entscheidung: Unbedingter Widerstand oder Kooperation mit den Herrschenden? Die historische und ganz konkrete Folie lieferte die Kollaboration der Petain-Regierung während der Nazi- Besatzung, aber auch die von Stalin beauftragte Ermordung Trotzkis im mexikanischen Exil.
Die Regisseurin Lilja Rupprecht, die im Kammerspiel einen fabelhaften »Malina« inszeniert hat, richtet ihre interpretatorischen Suchbewegungen jedoch auf weitere, im Stück sehr präsente und präzise Inhalte abseits aller Thesenhaftigkeit. Außerdem möchte sie, dass wir sehen, wie gespielt wird – auch das ist von Sartre im Stück bereits eingeschrieben. Und so betritt Fridolin Sandmeyer, der den treuen Parteisoldaten Hugo verkörpern wird, die Bühne und murmelt was von Violence und bla, bla, bla, während langsam das Gesicht von Manja Kuhl als Parteigenossin Olga über das pochende Herz projiziert wird: die Partei sieht alles. Sie trägt eine Gesichtsmaske, der wie ein Brandverband aussieht, und Hugo stülpt sie sich auch über den Kopf. Ein verletztes Herz, ein verbrannter Kopf …
Hugo entstammt einer bourgeoisen Familie, von der er sich gelöst hat, er arbeitet als Redakteur im kommunistischen Untergrund, wünscht sich aber, mit einer revolutionären Aktion betraut zu werden. Olga schleust ihn als Sekretär bei dem Vorsitzenden Hoederer (Matthias Redlhammer) ein, der von der Parteilinie abweichend mit den Herrschenden paktieren will. Deswegen soll er umgebracht werden – Hugo indes will den Mord nicht nur vorbereiten, er will ihn selbst ausführen. Er tritt die Stelle an, zusammen mit seiner Ehefrau – eine von Hoederers Bedingungen.
Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf – auf einer zugestellten Bühne (Anna Ehrlich) mit verspiegelten Nebenräumen, die ebenfalls eine Rolle spielen werden, Schminkspiegeln wie in einer Theatergarderobe, einem Boudoirbett und einer von der Decke baumelnden Kinderschaukel. In der Mitte ein schwarzes Podest, darauf ein einzelner Sessel – der Thron, von dem aus Hoederer noch im Dunkeln, aber stets präsent, das Geschehen verfolgt. Der Musiker Philipp Rohmer hat links hinten seinen Platz, aus dem er ab und an heraustritt. Dunkle Brillengestelle à la Sartre und Zigaretten sind neben den Masken und Mopp-Perücken weitere und etwas alberne Requisiten. Aber gut, es ist ja ein Spiel.
Lea Ruckpohl als Hugos Frau Jessica nimmt sich gleich mit einer irren Tangoparodie den prominenten Platz, den sie während der gesamten Aufführung nicht zu verlassen gedenkt. In ein blaues Cocktailkleid eingewickelt wie in ein Bonbonpapier, ist sie unter ihrer süßlichen Überspanntheit die eigentlich treibende Kraft. In den politischen Auseinandersetzungen mit Hoederer verliert Hugo äußerlich keinen Zentimeter seiner Überzeugung, innerlich aber schon. Er zaudert – tagelang. Wird Zeuge eines (abgefilmten) Gesprächs zwischen Hoederer, dem Prinzen und dem Außenminister von Illyrien, in dem der Pakt vorbereitet wird.
Bei allem Spiel, bei allen Ideen, blinkenden Lichtern, dem schönen Duett von Jessica und Olga auf der Kinderschaukel, der Granate, die nun anstelle des Herzens zerbirst – ist es gut, dass die Wortgefechte zwischen Hugo und Hoederer pur inszeniert sind. Sie sind nicht abgefilmt, keiner trägt eine Sartrebrille – jetzt wird es ernst, es ist kein Spiel mehr. Hugo zögert, seinen Auftrag auszuführen, er verehrt Hoederer, der ihm vertraut, er vertritt kopflos Parteidisziplin, als habe er keinen anderen Halt. Es ist viel von einer Vater-Sohn-Beziehung in diesen Dialogen eingeflochten, wobei Fridolin Sandmeyer leider einen sehr weinerlichen Ton anschlägt, aus dem er nicht wieder herausfindet. Trotzdem, diese Dialoge funkeln wie ein Juwel nachdem sie sich aus all der Verpackung, all diesem Spiel gelöst haben. Eindringlicher, nachdrücklicher stehen jetzt plötzlich diese Sätze auf der Bühne – und spielen die Hauptrolle.

Susanne Asal / Foto: © Birgit Hupfeld

Termine: 8., 9., 28., 30.Dezember, 19.30 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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