Man könnte es eine Stinkbombe nennen, mit der die Dramatische Bühne den Juli bei ihrem Freilichtfestival einläutet. Wir schreiben das 18. Jahrhundert und ganz Paris ist eine Wolke – aus Fäulnis und Fäkalien. Ekelhaft. Kein Wunder, dass, wer da nur kann, nach Wohlgerüchen strebt. Und dass, wer das rechte Näschen und das feine Händchen dafür hat, sie zu erzeugen, hoch im gesellschaftlichen Ansehen steht, und noch höher in Geld, Ruhm und Liebe. Ganz wie der abgehalfterte Parfümeur Maitre Valdiani.
Wie schon der Name des Duftwasser-Profis so lehnt auch der seines mit einem genialischen Geruchssinn gesegneten Lehrlings Frederique Valnouille eicht an den des Enfant terribles Grenouille aus Patrick Süskinds Roman »Das Parfum«.
Wesentlich eigenwilliger fällt die Geschichte aus, die Thorsten Morawietz aus dem von Tom Tykwer groß verfilmten Bestseller von 1985 destilliert. Der Theatermacher spitzt die Handlung dramatisch auf die Herr-Knecht-Konstellation zwischen dem lendenschwächelnden alten Meister und seinem potenten Gesellen zu, der nicht nur Frauen mit seinen Kompositionen willig zu machen weiß. Doch keine Sorge: Dass die Suche des jungen Mannes nach der 13. Essenz für den ultimativen Duft über Frauenleichen geht, kommt dabei nicht zu kurz.
Morawietz, der zunehmend Gefallen an gebrechlichen Charakteren unter Hormondruck zu finden scheint, gibt den vergreisenden Valdiani, während Sebastian Huther den meuchelnden Barista von der Essenzen-Theke spielt und Marlene Zimmer die von beiden aus je eigenen Motiven umworbene Madame Valorette. Simone Greiß dagegen moderiert in der Rolle des »perfekten Parfums« das dufte(nde) Geschehen. Gespannt darf man sein, wie das großartig aufbereitete Spektakel, zu dem auch die spielwütigen Kinder des Olymp in den Nebenrollen viel beitragen, die mit sprühendem Eifer vorgetragenen olfaktorischen Überraschungen aus der Exzess-Halle in den Grüneburgpark überträgt.
Wer an dem auch textlich toll zugespitzten Spiel um den biologischen Aderlass des Mannes besonderen Gefallen findet, kann am 22. Juli in »Shakespeare in love« eine weitere Kostprobe genießen – und wieder ist Marlene Zimmer das Objekt der Begierde des Nestors. Beide Stücke gehören wie auch »Dostojewski: Der Spieler«(12./13. Juli) wie »Die Leiden des jungen Werther« (16./17. ,22. Juli) und Schillers »Maria Stuart« (8./9. Juli) zu den historisch jüngeren Arbeiten aus der schon 31 Jahre währenden Geschichte der Dramatischen Bühne. »Hamlet (28. Juni/5.Juli)« dagegen spielt die Gruppe seit Jahr und Tag. Unglaubliche 29 Titel umfasst das pausenlose 52-tägige Programm, das mit 16 Darstellern, darunter auch Birte Sieling, Julian König, Christoph Maasch und Sarah Kortmann sowie den Olymp-Kindern bestritten wird.