Er ist eine der prägendsten Gestalten des modernen Balletts, gilt als Revolutionär, der die Grenzen zwischen klassischem und zeitgenössischem Tanz in bis dahin ungeahnte Richtungen verschoben hat und Körper auf die Bühne brachte, die nicht dem lange dominierenden Bild der Ballerinen entsprachen. Für viele Zuschauer war das, was William Forsythe auch im Zusammenspiel mit neuen Technologien kreierte, anfangs sehr gewöhnungsbedürftig. Doch während der 20 Jahre währenden Amtszeit des Amerikaners als Direktor des Balletts Frankfurt stellte die Großstadt am Main eines der wichtigsten Zentren der internationalen Szene dar und genoss einen einzigartigen Ruf. Der Glücksfall wurde allerdings nicht hoch genug geschätzt, die Sparte an den Städtischen Bühnen 2004 geschlossen. Der Ausnahmekünstler blieb dennoch treu, gründete am Main sein eigenes Ensemble, das er bis 2015 leitete, um danach Deutschland zu verlassen. Dass der mittlerweile 75-Jährige nun nach Hessen zurückkehrt, um mit den Nachfolgern seiner Truppe, der Dresden Frankfurt Dance Company, ein neues Stück einzuüben, wird zu Recht mit großer Spannung verfolgt. Dass die Premiere des Doppelabends am Ende der aktuellen Spielzeit, dessen zweiten Teil der Schweizer Thomas Hauert gestaltet, in Sachsen und nicht in Hessen stattfindet, könnte als kleiner Affront gedeutet werden gegen die langjährige Wahlheimat, hat aber wohl eher organisatorische Hintergründe. Unter dem Titel »Undertainment« entwickelt Forsythe mit dem Material eines improvisatorischen Baukastens ein System, das die Tänzer*innen erkunden und ausreizen sollen. Die Formation ist unter ihrem aktuellen Leiter Ioannis Mandafounis, der selbst einst Tänzer bei Forsythe war, vor allem dafür bekannt, in Turnschuhen durch spontan erscheinende Bewegungskompositionen zu hüpfen. Es wird interessant sein zu sehen, was der Meister aus dem macht, was ihm die nicht unbedingt klassisch geschulten Tänzer anbieten. Hauert nimmt sich derweil in »Playing with Sergei, Martha and the Others« das auch emotional hochkomplexe dritte Klavierkonzert von Sergei Rachmaninoff vor und lässt die Tänzer mit einer Aufnahme mit Martha Argerich von 1982 in einen spielerischen Dialog treten. Sie sollen auf den Rhythmus und die Dynamik der Musik reagieren, aber auch gleichzeitig auf ihre Partner und deren subjektive Interpretationen. Hauert hat mit seiner eigenen Company ZOO in Brüssel Prinzipien für Improvisationen entwickelt, die nun auch hier zur Anwendung kommen. So ist ein nicht nur für die Bühnenkünstler anspruchsvoller Abend zu erwarten.
Dresden Frankfurt Dance Company mit »Forsythe / Hauert« im Schauspiel Frankfurt
