»Dumb Money« von Craig Gillespie

Es ist noch nicht so lange her, da stellte ein junger Finanzanalyst Wall Street auf den Kopf. Er empfahl auf seinem privaten YouTube-Kanal eine Aktie, die auf niedrigste Kurse gefallen war und in die er seine gesamten Ersparnisse in Höhe von 53.000 Dollar investiert hatte. Seine Empfehlung ging im Netz viral und löste bei zumeist jungen Kleinanlegern eine spektakuläre Kaufwelle aus, die großen Finanzfirmen, die auf fallende Kurse wetteten, zu existenzbedrohlichen Verlusten verhalfen.

Diese wahre Begebenheit trägt dermaßen viel Komödien-Potential in sich, dass die ehemaligen »Wall Street Journal«-Journalistinnen Lauren Schuker Blum und Rebecca Angelo aus Ben Mezrichs diesbezüglichem Sachbuch »The Antisocial Network« ein Drehbuch verfasst haben, das Craig Gillespie mit ironischem Blick inszeniert hat. Paul Dano, der uns noch als Burt Fabelman aus Spielbergs Jugendverklärung in Erinnerung ist, spielt den vom eigenen Erfolg überraschten Katzenfreund Keith Gil aus Massachusetts.
Dessen Hochstimmung wird kontrastiert von dem Ärger und den Existenzsorgen der Hedgefonds-Manager wie beispielsweise Gabe Plotkin (Seth Rogen) von Melvin Capital. Sie hatten die Aktien von GameStop, um die es sich handelt, geshortet, wie es im Börsenjargon heißt. Das bedeutet: Sie haben die Papiere auf Termin verkauft, um das Geschäft bei Fälligkeit zu Tiefstkursen glattzustellen.
GameStop ist eine Kette von Geschäften für Computerspiele und Unterhaltungssoftware. Sie hatte und hat mit der Konkurrenz im Internet zu kämpfen und galt in der Finanzaristokratie als Pleitekandidat. Es lag also nahe, auf fallende Kurse zu wetten, was auch mit mehr als der Hälfte des kompletten Aktienvolumens getan wurde. Dies war aus einer Börsenstatistik zu entnehmen.
Der unglaubliche Anstieg des Aktienkurses wurde einerseits durch die massiven Käufe der Kleinanleger verursacht, andererseits aber auch durch ein Short Squeeze, bei dem die Hedgefonds gezwungen wurden, sich mit den leerverkauften Aktien an der Börse, wo die Kurse permanent stiegen, einzudecken. So wurden aus den Buchverlusten Milliarden von echten Verlusten.
Der Film zeigt die Manager, wie sie um ihre Fassung ringen, während die jungen Leute auf ihren Handys den Kauf neuer GameStop-Papiere ordern. Ohne den Internet-Broker RobinHood, der den Aktienkauf zum Kinderspiel gemacht hatte, und die Covid-Pandemie, die den Spieltrieb angestachelt hat, wäre dieser Sieg des »dummen Geldes« der Kleinanleger in solch einem Ausmaß nicht möglich gewesen.
Folgerichtig müssen RobinHood und Citadel Securities den Handel stoppen, als es den Hedgefonds zu mulmig wird. Und vor einem Untersuchungsausschuss des Congresses muss sich Keith Gill gegen vermeintliche Insider-Vorwürfe verteidigen. Auf dem Höhepunkt hat er 23 Millionen Dollar angehäuft, weil er nicht vorzeitig verkauft hat.
»Dumb Money« macht aus alldem ein wildes Potpourri (Schnitt: Kirk Baxter), in dem bekannte Moderatoren auf CNN, Fox News, Bloomberg und CNBC nicht fehlen dürfen. Dass hinter dem GameStop-Hype ihr bis dato wenig erfolgreicher Sohn steckt, können Keiths Eltern (Kate Burton, ClancyBrown) zunächst kaum glauben. Sein Bruder (Pete Davidson) hält ohnehin nichts von dessen unseriösen Videos. Beim gemeinsamen Abendessen rät die Mutter zum schnellen Verkauf. Doch Keith, der von seiner Frau Caroline (Shailene Woodley) trotz ihrer Zwefel unterstützt wird, hält stur an den Aktien fest, auch als bei einem Kurssturz zwischendurch seine Anhänger vor dem Haus demonstrieren.
Regisseur Gillespie führt uns wiederholt in eine GameStop-Filiale. Dort kündigt der finanziell unabhängig gewordene Angestellte Marcus (Anthony Ramos) seinen Job, nimmt die Kündigung zurück und wird schließlich von dem wütenden Filialleiter gekündigt. Worauf er erhobenen Hauptes den Laden verlässt. Und wir können die Genugtuung mit den kleinen Fischen teilen, die einmal einen Sieg über die Haie an der Wall Street erringen konnten, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt ein- und ausgestiegen sind. Denn das gehört eben auch dazu.

Claus Wecker / Foto: © Leonine
>> TRAILER
DUMB MONEY
von Craig Gillespie, USA 2023, 105 Min.
mit Paul Dano, Pete Davidson, Seth Rogen, Kate Burton, Vincent D’Onofrio, America Ferrera
nach dem Sachbuch von Lauren Schuker Blum und Rebecca Angelo
Komödie/Start: 26.10.2023

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