Der schwierige Nachbar
Schon seit einigen Jahren hat das Kino die Ü-50-Generation als lukrative Zielgruppe im Visier. Während junge Zuschauer sich zunehmend legal oder illegal im Netz bedienen, werden die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer, die mit dem Kino sozialisiert worden sind, mit altersgerechten Formaten wieder in die Lichtspielhäuser zurück gelockt. Dabei gehen die Vorstellungen und Vermutungen, was so ein Publikum in den besten Jahren sehen will, deutlich auseinander.
In Deutschland setzt man – ähnlich wie in Hollywood – auf eher seichte Kost, die sich mit dem Alterungsprozess auf komödiantisch verleugnende Weise auseinandersetzt. Das wird ein Dieter Hallervorden in »Sein letztes Rennen« noch einmal zum Marathon-Mann oder eine Gruppe von insolventen Alt-68ern in »Wir sind die Neuen« in eine Senioren-Kommune gesteckt. Im skandinavischen Kino hingegen schaut man dem Altern ungeschönter ins Gesicht, konzentriert sich mehr auf die kauzigen Aspekte des Seniorendaseins. Als Pensionär im Wunderland ließ der norwegische Regisseur Bent Hamer in »O‘Horten« einen Lokomotivführer durch lange nördliche Nächte treiben. Die schwedische Literaturverfilmung »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« von Felix Herngren montierte Altersdemenz und Weltgeschichte zu einem surrealen Roadmovie. An den Erfolg der Literaturvorlage von Jonas Jonasson knüpfte wiederum Fredrik Backmans Bestsellerroman »Ein Mann namens Ove«, der nun von Hannes Holm ins Kinoformat gebracht wird.
Die Titelfigur Ove (Rolf Lassgård) ist ein pedantischer Grantler, der seine Nachbarschaft mit dem Gestus eines Großhausmeisters in Schach hält. Jeden Morgen macht er seine Kontrollgänge durch die verkehrsberuhigte Eigenheimsiedlung. Ein offenstehendes Gartentor, ein angelehntes Fahrrad oder gar ein durchs Wohngebiet fahrender PKW sind für ihn die Vorboten der Apokalypse. Die Welt ist sein Feind und eigentlich hat Ove genug von ihr. Gerade hat er sich die Schlinge um den Hals gelegt, um seiner kürzlich verstorbenen Frau ins Jenseits zu folgen, da rammen die neuen Nachbarn mit ihrem Umzugsanhänger seinen Briefkasten. Nicht einmal umbringen kann der Mann sich in Ruhe. Die Suizidversuche sind Teil der dramaturgischen Struktur, die vor jedem scheiternden Freitod zu Rückblenden in Kindheit und Eheleben des alten Herren ausholt. Die Reisen in die Vergangenheit und die tragischen Ereignisse lassen das große Herz hinter der Fassade der Verbitterung erkennen. Ganz ohne filmische Hilfsmittel scheint das auch die neue persische Nachbarin Parvaneh (Bahar Pars) zu sehen, die einfach nicht locker lässt und den garstigen Alten immer mehr in ihr Leben einbindet. Die fabelhafte Bahar Pars spielt diese Frau mit bodenständigem Charme und enthebt sie allen Helferinnen-Syndrom-Klischees. Die stolpernde Entwicklung der Beziehung dieses ungleichen Paares ist das Herz des Filmes, dessen Konzept von harte Schale/weicher Kern etwas übersichtlich ausfällt.