»El Clan« von Pablo Trapero

Biedermann mit Geisel

Argentinien ist bei uns vor allem durch die saftigen Steaks bekannt. Doch das Land der leidenschaftlichen Fleischverzehrer hat auch ein dunkles Kapitel in seiner Geschichte. Es ist die Zeit der Militärdiktatur (1976 – 1983), als manch ein Menschenleben nicht wertvoller war als das Leben eines Rindes. Von dieser Zeit handelt »El Clan«.

Nach außen ist alles ganz normal bei den Puccios. Patriarch Arquímedes (Guillermo Francella) besitzt ein Haus in einem gutbürgerlichen Viertel von Buenos Aires, Epifania (Lili Popovich) besorgt den fünfköpfigen Haushalt wie tausend andere Ehefrauen, Sohn Alejandro (Peter Lanzani) ist ein allseits beliebter Rugby-Star.
Doch wenn das Hoftor geschlossen wird, laden Vater und Sohn Entführungsopfer aus ihrem Wagen. Die landen entweder gefesselt in der Badewanne im ersten Stock oder, besser abgeschottet, im Keller des Hauses. Arquímedes, dieser seriöse ältere Herr mit den weißen Haaren und den schönen blauen Augen, der seinen Kindern gerne bei den Hausaufgaben hilft,  leitet eben auch einen Familienbetrieb der besonderen Art. Entführung und Lösegelderpressung ist das Geschäftsfeld. Und wenn das Geld gezahlt wird, muss das Kidnapping-Opfer leider doch getötet werden, weil es etwas mitbekommen hat oder die Umstände bei der Freilassung zu unsicher waren. Ein Grund findet sich immer.
Sohn Alejandro sucht die Opfer unter seinen Bekannten aus, alle stehen sie der Junta kritisch gegenüber. Und so wird das Treiben von Vater, Sohn und deren Helfern von höchsten politischen Stellen geduldet, wenn nicht unterstützt.
Regisseur Pablo Trapero vermeidet Erklärungen, sein dokumentarisch anmutender Thriller setzt auf die Kraft der Bilder. Nur langsam macht man sich aus dem Geschehen auf der Leinwand seinen Reim. Der ist dann aber umso kraftvoller. Denn Trapero zeichnet mit seinen Co-Autoren Julian Loyola und Esteban Student ein schockierendes Familienporträt. Die Aufgaben sind verteilt, die weiblichen Familienmitglieder nicht direkt involviert. Epifania kocht zwar auch für die versteckten Geiseln, aber sonst verhält sie sich so, als hätte sie mit der Sache der Männer nichts zu tun. Alejandros Bruder Maguila (Gastón Cocchiarele), der sich für einige Zeit fern von Buenos Aires dem Vater entzogen hat, wird nach seiner Rückkehr ebenfalls für das geheime Familiengeschäft eingespannt. Das geht seinen Gang, bis Alejandro sie hübsche Monica (Stefania Koessl) kennenlernt. Da bekommt er Gewissensbisse, verweigert seine Mitwirkung, und prompt geht eine Entführung schief.
Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. »Es war damals ein wichtiger Kriminalfall, einer der größten in der Geschichte des Verbrechens in Argentinien«, sagt Trapero. In Venedig gab es im letzten Jahr den Regiepreis für ihn, und in Argentinien wollten über 2,6 Millionen Zuschauer diesem gruseligen Clan zuschauen. So verstörend wie in Argentinien dürfte er auch hierzulande auf das Kinopublikum wirken.

Claus Wecker
El CLAN
von Pablo Trapero, Arg./E 2015, 108 Min.
mit Guillermo Francella, Peter Lanzani, Lili Popovich, Julian Loyola, Esteban Student, Stefanía Koessl
Thriller
Start: 03.03.2016

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