English Theatre zeigt »Handbagged« als Deutschland-Premiere

Zicken sind sie keine

»Liz gegen Maggie«: Diese Unterzeile der britischen Komödie »Handbagged« ist eine schiere Behauptung. Aber nicht unwahrscheinlich. Sie geht von den gegensätzlichen Naturell der fast gleich alten und nicht ohne ihre Handtaschen denkbaren Frauen aus: die emphatische, mit spitzem Witz begabte, aber auch qua Amt harmoniegesinnte Königin hier und die humor- und kompromisslose Ideologin aus der Downing Street 10 dort.
Von diesem Kontrast ausgehend, basiert das nun am English Theatre zu sehende Stück der irischen Dramatikerin Moira Buffini auf der Tradition des wöchentlichen Austauschs zwischen Britanniens staatlichem und Britanniens royalem Oberhaupt im Buckingham Palace. Von 1979, dem Jahr der Wahl Margaret Thatchers zur Premierministerin, bis zu ihrer Abdankung 1991, treffen sich Liz und Maggie dienstags halb sieben zum Plausch mit Tee und Pflaumenmus – so das großartige Programmheft. Möglicherweise, wird suggeriert, gab‘s ab und an aber auch Pikkolöchen (Q) und Whisky (PM). »Es bleibt alles zwischen diesen drei Wänden«, wird dazu theatertechnisch gescherzt.
Nicht nur, weil Thatcher in ihrer zweibändigen Autobiografie der Queen gerade mal zwei Hinweise widmet, scheint Buffinis Spekulation eines weitgehenden Dissens zwischen den beiden plausibel. Wie sich mit einer Frau vertragen, die man insgeheim, so der »Daily Mirror«, für eine Rassistin hält und die Gratismilch für Schulkinder abschaffte, weil sie darin einen Akt des Sozialismus sah?
Aber nun zum Stück, das in einem ovalen holzverkleideten weißen Raum mit karminrotem Teppich, einem Teewägelchen und zwei Sesseln das passende Environment auf der Bühne findet. Indem die Autorin ihre Protagonistinnen doppelt und uns immer mit einer alten und einer jungen Figur (Mag und T, Liz und Q) konfrontiert, verleiht sie dem Spiel eine Meta-Ebene. Die reife Queen Elizabeth II (Georgina Sutton) will zum Leidwesen der jungen (Esther McAuley) möglichst wenig vertiefen, die alte Thatcher (Claire Vousdon) hat dagegen vieles »so nie gesagt«, was Maggie (Genevieve Swallow) behauptet (und die Queen einmal mit Ort und Datum kontert). Zicken sind sie aber keine. Das Doppelporträt erhellt auch die historische Dimension des chronologisch präsentierten Geschehens.
Von Blacks und Musik unterbrochen, handelt das Spiel im Jahrestakt die großen Ereignisse der Thatcher-Ära ab: vom Ende der Apartheid über den Falklandkrieg und den Streik der  Minenarbeiter bis zum Attentat der IRA in Brighton, dem Thatcher knapp entging. Exakt 17 Figuren werden von zwei Schauspielern (Phil Adele, Mark Hackett) großartig dargestellt: von Kenneth Kaunde bis zu Ron und Nancy Reagan, natürlich auch Prince Philip und Thatcher-Gatte Denis.
Das Rollenspiel bringt Leben in die sonst etwas statische Inszenierung von Tom Wright. Für das deutsche Publikum, dem nicht alle Figuren und ihre Marotten, auch nicht alle Geschehnisse vertraut sein können, ist sie fraglos eine Herausforderung. Kein Zufall, dass die Handlung mit näher rückender Jahreszahl immer fesselnder wird. Dem begeisterten englischen Nachbar zufolge sitzen Ton und Gesten »in every respect«; Esther McAuleys Liz fand er zum Niederknien ähnlich. Männern winkt gar das Glück, einer der Her Majesties die royale Hand küssen zu dürfen, sollten den anschließenden Griff zum Desinfektions-Spray aber verzeihen,  Frauen das zweischneidige, sich im Knicks zu üben.
Gleichwohl ist der Abend mehr als ein Ausflug in die Erinnerung und Geschichte. Nicht nur zwischen den Zeilen stößt er uns ernüchternd darauf, dass die vermeintlichen Konflikte von gestern grundsätzliche sind. Anspruchsvoll, aber die Mühe wert.

Winnie Geipert (Foto: © Kaufhold)
Noch bis 30. April: Di.– Sa. 19.30 Uhr, So. 18 Uhr
www.english-theatre.org

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