Frankfurter Kammerspiel zeigt »Wir haben es nicht gut gemacht«

Sie das Opfer, er der Schuft. Über Jahrzehnte hinweg ist das die Rollenverteilung in der Wahrnehmung der Liebe zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch gewesen. »Normalitätsterrorist« und »Schweizer Kracher« lauten Begriffe, die Elfriede Jelinek Frisch zugeschrieben hat. Verrat an der Liebe habe er begangen und Bachmann letztlich in den Tod getrieben. Dass an diesem Bild vieles nicht haltbar ist, hat der vor gut zwei Jahren veröffentlichte Briefwechsel offenbart.
Für die Kammerspiele des Frankfurter Schauspiels hat die Regisseurin Susanne Frieling unter dem von der Briefausgabe übernommenen Titel »Wir haben es nicht gut gemacht« ein Zwei-Personenstück geschnitten. In Biopics, seit Jahren ein sicherer Renner im Kino, werden nicht selten vor allem Klischees reproduziert. Dem Vernehmen nach gilt das auch für Margarethe von Trottas Film »Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste«, der 2023 herauskam. Von den Klischees hält sich Frieling in einer äußerst erfreulichen Art fern.
Ein grauer Flur mit Fußleiste und Stuckbesatz ist es zunächst, in dem sich die Schauspieler Manja Kuhl und Sebastian Kuschmann begegnen, ein Ort des Transits. Später tun sich zwei torbreite Aufzugtüren auf und geben den Blick frei auf einen Raum der Erinnerung an die verspielte Möglichkeit eines gemeinsamen Lebens, den Devin McDonough mit einem Doppelensemble aus zeitentsprechendem Mobiliar samt Schreibtischen und mechanischen Schreibmaschinen sowie umherstehenden Umzugskisten ausgestattet hat.
Eine leise Inszenierung ist das, sie meidet das Spektakuläre und bezieht eben daraus ihre Wirkmacht. Die Weise der glasklaren Fokussierung auf die Schauspieler, ohne große Ausbrüche, erinnert von fern an die Ästhetik des Boulevardtheaters. Da ist beidseits viel der Äußerungen einer Unsicherheit mit Blick auf die Liebe des anderen; Liebe und Verzweiflung liegen nah beieinander. Wer von beiden sich nicht ganz und gar eingelassen hat, das ist Gegenstand wechselseitiger Vorhaltungen. Die Tablettensucht Bachmanns ist nicht erst von der Trennung ausgelöst worden. »Dein Nichtaufwachenwollen, dein Hindösen, seit wir diese Wohnung haben, deine Flucht in Narkotika, es war beängstigend.« Bachmann sieht sich von der Beziehung mit Frisch vernichtet, er wiederum fühlt sich ihr als Schriftsteller unterlegen.
Eine offene Beziehung war vereinbart, Jahre vor der sexuellen Revolution. Als Gedanke nicht übel, doch zum Scheitern verurteilt, weil eine Seite immer leidet. Als Frisch schon mit seiner späteren Ehefrau Marianne Oellers zusammen ist, heißt es: »Du schreibst, du wolltest bei uns sein. Ach Ingeborg! Man umarmt sich nicht zu dritt«.
Die Gefühle knallen mit einer Schärfe aufeinander im Spiel von Manja Kuhl und Sebastian Kuschmann, auf den spektakulär theatralen Effekt indes ist das nicht angelegt. Ein wenig Großaufnahme-Video bringt Frieling ins Spiel. Wäre nicht nötig, bleibt jedoch dezent.
Es ist Frieling gelungen, aus den tausend Seiten des Briefwechsels ein konsistentes Stück zu komponieren. Die über den biografischen Schlüssellochblick hinausgehende Perspektive auf ein Allgemeines der heiklen Verhältnisse einer schwierigen Liebe in der Moderne ist schon in den Briefen selbst angelegt.

Stefan Michalzik / Foto: © Felix Grünschloß
Termine: 8. Februar, 20 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de

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