Wenn Hollywood im Frankenwald dreht, dann ist das für die ganze Region schlichtweg ein Hammer. Und mehr als nur Chronistenpflicht für die FP, die Frankenpost in Hof. Keine Frage, dass die nach eigener Aussage »zweitgrößte Tageszeitung Oberfrankens« alles in Bewegung setzt, eine Celeste Cipollini (glänzend: Gabriele Drechsel) oder einen Bradley Everett (betont herb: Valentin Erb) für ihre Leserschaft zu interviewen. Ob Leif Marquardt (Niklas Herzberg) und Linda Püschel (Laura Eichten) die hellsten journalistischen Kerzen auf der fränkischen Redaktionstorte sind, bleibt indes dahingestellt. Insbesondere Ersterer kommt über Ähs und Ohs in seinem »Gespräch« mit der monologisierenden Filmdiva nicht weit hinaus.
Diese freilich erklärt ihm (und uns), wovon Michel Decars in den Darmstädter Kammerspielen uraufgeführtes neues Stück »Interviews mit Bäumen« handeln könnte: dem Making-of eines Films, in dem keine Menschen, sondern ausschließlich Bäume interagieren. Mit Cipollini als Colorado-Tanne und ihrem Partner als Douglasie in einem mehr als nur ökologischen Plot, geht es mit den Bäumen und ihren Problemen doch zugleich um den gefährdeten Lebensraum der indigenen Lakota Sioux. Die Wahl zum Drehort hat der schöne Frankenwald vor allem den kostenträchtigen US-Gewerkschaften zu verdanken. Sein Blattwerk bedarf allerdings noch der optischen Auffrischung zum Dakota-Lookalike und der Überwindung des Widerstandes des bayerischen Umweltministeriums gegen seine geplante Umfärbung.
All das verrät, dass es dem Autor gelungen ist, nichts von all dem einzulösen, was man sich gemeinhin von einem derart betitelten Stück verspricht, bleibt doch auch dessen ökologischer Input im Rekordtempo auf der Strecke. Decar lässt sogar offen, ob die, die wir sehen, wirklich sind, was sie spielen, kündigt die Besetzung doch lediglich zwei Figuren an, die aussehen wie die beiden US-Stars an. Optisch unterstützt von Jana Wassongs großflächig mit Wandtapete, Torfboden, Felsen und Baumpflöcken drapierter Bühne stehen wir auch diesbezüglich von Beginn an im Wald, wo den auch die ersten zwei der drei Großszenen des immer sinnfreier werdenden Stücks spielen. Begleitet von teils köstlich hohlen Dialogen münden sie auf wundersame Weise alle in Handgreiflichkeiten der Presseleute: Erst schüttet der entnervte Marquadt der Diva die Bionade ins Gesicht, dann legt seine Kollegin den von Hornissen-Stichen gezeichneten Douglasien-Darsteller aufs Kreuz, bevor beide, von der Frankenpost entlassen, aufeinander losgehen und einen Tatort-Köln-reifen Imbissstand zertrümmern.
Unbedingt zu erwähnen ist der Betrag des Sound-&-Video-Meisters Bastian Gascho für die knapp zweistündige zwar pausen-, doch nicht ganz längenlose Farce. Mit Songs wie »Mein Freund der Baum« von Alexandra werden die Szenen überbrückt, und mit Riesen-Screens links und rechts über der Spielfläche eine Art Sportstudio-Atmosphäre gezaubert. Erst sehen wir dort den gedoppelten Protagonisten ins Gesicht, dann die den Showdown am Imbiss überlebende Bratwurst in der Pfanne in Draufsicht bruzzeln, um im letzten als Nachspann serviertem Akt das Gespräch zweier Nadelbäume zu verfolgen, die diesmal ganz offen sichtlich nur vorgeben, Colorado-Tanne und Douglasie zu sein. Im Anflug auf den Los Angeles-Airport LAX lassen sie uns wissen, dass der Frankenwald trotz verwendeter veganer Farben beim Umspritzen in Flammen aufgegangen ist.
Staatstheater Darmstadt zeigt Michel Decars »Interviews mit Bäumen«
