Land unter in der Naxoshalle? Oder wie soll man das sonst verstehen mit dem »Sumpf inmitten der Stadt«? Doch selbst wenn im Titel des Freien-Szene-Festivals rund um das StudioNaxos-Kollektiv einiges an untergründiger Metaphorik mitschwingt, hat er wohl auch Realgehalt. Es sprießt und wächst nämlich nicht erst seit gestern aus allen Ecken, Töpfen und ausrangierten Theaterscheinwerfern in der Fabrikruine Naxos, wo das Künstlerkollektiv schon im Vorjahr ein inzwischen nur noch virtuell begehbares »Naturtheater« eingerichtet hat. Jetzt aber wird der Bau zu einem »Bio-Techno-Top« aus Wasser, Pflanzen, Industrieparkett, Stahlträgern und Theatertechnik. Die Kulisse der 1. Frankfurter Sumpffestspiele mahnt indes nicht nur die immensen sozialökologischen Herausforderungen der Gegenwart an, sondern wird auch Mitspieler der zwölf angesagten künstlerischen Produktionen. Künstlerischer Leiter ist der Regisseur Simon Möllendorf, dessen erprobte »Compagnie Dorfproduct« hier mit der Tanzperformance »Tie Me Knot« vertreten ist, die von Flucht- und Rückzugsräumen als Refugien visionärer Fantasien handelt.
Über vier lange Wochenenden, jeweils von Donnerstag bis Sonntag, streckt sich das Event vom 15. Juli an in den August. Performances, Installationen, Acts, Konzerte und manches Avantgardistische mehr werden geboten, deren durchweg aufstrebende Protagonisten, Autoren und Schöpfer aus dem Dunstkreis des StudioNaxos, des Mousonturm und der Gießener Theaterschmiede kommen. Neben Möllendorfs »Dorfproduct« führen der Musiker, Performer und Regisseur Jacob Bussmann (»Panic Noon«), die mit dem Jodl-Club bekannt gewordene Tanzdramaturgin Johanna Milz (»Crossroads«), die Klangkünstlerin Laila Gerhardt (»Zaba«) und die zuletzt mit dem Tennis-Western »Rage« am Mousonturm aufwartende Regisseurin Hanna Steinmair (»6,5 Heldentode«) neue Arbeiten auf.
Weiter mit dabei: der Performer und Bühnenbildner Linnan Zhang (»Peep Show«), Luis Garay (»Future Technologies«), die Gruppe Scripted Reality (»Research on an Unstable Grouind«) und J. F. Schmidt-Colinet (»Nein, einfach nein«). StudioNaxos-Mitgründer Jan Philipp Stange sorgt mit seinen Stange-Productions für frühtägliche »Artist Talks« während des Festivals – jeweils um 11 Uhr. Dabei trifft das Publikum auf einen menschlichen Avatar, weiß die Ankündigung: »In der 1:1-Performance, die immer individuell verläuft und vertraulich bleibt, einsteht ein persönliches Tete-à-Tete zwischen Mensch und Maschine«.
Den Auftakt bestreitet am 15. Juli um 20 Uhr die Regisseurin und HfMDK-Dozentin Friederike Thielmann mit einer musikalisch-essayistischen Begegnung mit Schlamm und Schauer trister Um- und Zustände titels »In Grund und Boden«. Den nicht minder sprechenden Schlusspunkt setzt am 8. August Maylin Halbig mit ihrer Arbeit »Endlager«, die das Verhältnis Mensch zu Natur und ihre Domestizierung anspricht. Eine Herausforderung summa summarum nicht allein für die Sinne.