Rosa Luxemburg, der haben sie‘s versprochen, möchte man in Anlehnung eines alten Marsches der Arbeiterbewegung sagen: Das neue Stück des Freien Schauspiel Ensembles passt so gut in die Geschichte des Bockenheimer Theaters und seines Domizils Titania, dass man sich allenfalls fragt, wieso es erst jetzt auf den Spielplan kommt. Wenn wir es recht sehen, dann ist es zumindest die erste Bühne in Frankfurt, die die »non-fiktionalen« Arbeiten der jüngeren französischen Literatur dramatisiert, für die neben Didier Eribons »Rückkehr nach Reims« (2016) auch der hier gewählte Éduard Louis steht. Beide behandeln auf biografischer Basis die Milieus, in denen sie unter schwierigen Umständen aufgewachsen – und denen sie erfolgreich entflohen sind im kritischen Rückblick: die von Rassismus, Homophobie, Fremden- und Frauenfeindlichkeit durchdrungene französische Arbeiterklasse im Lichte einer sich dem Wirtschaftsliberalismus ausliefernden Politik. Beide beschreiben zugleich den Prozess einer sehr persönlichen Läuterung. Wobei Louis in seinem ihn mit einem Schlag berühmt machenden Essay »Wer hat meinen Vater umgebracht« (2019) die Problematik der sozialen Verwerfungen sehr viel zeitnäher, direkter und vor allem ohne Fragezeichen diskutiert. Wer seinen Vater physisch und psychisch so zugrunde gerichtet hat, steht für ihn fest: die von Giscard, über Sarkozy bis zu Macron reichende Politelite.
In ihrer fünften Regiearbeit für das FSE-Theater verbindet Bettina Kaminski die Vater-Schrift von Éduard Louis mit seinem bereits vier Jahre vorher erschienen Roman-Debüt »Das Ende von Eddy«, ein nicht minder subjektives, aber literarisches Eintauchen in die Kindheit. Was hier eher zwischen den Zeilen stehe, werde als politische Position formuliert, meint die Regisseurin in einer Interview-Einführung auf der Homepage der Gruppe über ein Thema das sich ganz und gar nicht auf Frankreich beschränkt. »Der Sozialstaat wird abgebaut: Es ist nicht mehr die Solidargemeinschaft, die Schwächere (…) unterstützt und Verantwortung übernimmt. Sondern einzelne sind selbst schuld, keine Arbeit zu finden, krank zu werden etc.«.
Mit den Schauspielern Axel Gottschick und Yves Pancera, die zwei Generationen, aber eine Person vertreten, wird die Bühnenfassung nun umgesetzt. Und mit einem Live-Schlagzeuger, Günter Bozem, am idealen Instrument. Kaminsky: »Das Ineinandergreifen von Mensch und Maschine. Schlagzeug hat etwas mit Arbeit zu tun (…, und) die Möglichkeit, die Geschichte voranzutreiben. Es gibt eine Getriebenheit zu erzählen.«
gt (Foto: © Moritz Buch)
Termine: 12., 18., 19., 25., 26. Februar, 20 Uhr; 20., 27. Februar, 18 Uhr
www.freiesschauspiel.de