L’art pour l’art ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was die Frankfurter Daedalus Company mit ihren ambitionierten Produktionen verfolgt. Nach der denkwürdigen Inszenierung des Dramas »Spoonface Steinberg« (Lee Hall), das mit den von der Opernsängerin Britta Stallmeister live gesungenen großen Callas-Arien ein sterbendes autistisches Kind auf seinem Weg begleitete, wendet sich die Regie führende Leiterin des Ensembles, Regina Busch, nun den nicht minder brisanten Themen Demenz und Freitod zu. »Salt, Root & Roe« heißt das Stück des Walisers Tim Rice im Original, das ihr dessen deutscher Übersetzer Michael Raab empfohlen hat. Dass Raab, der auch »Spoonface« ins Deutsche übertragen hat, bereit war, die Dramaturgie für die Inszenierung zu übernehmen, ist ein Glücksfall für die Company. Nur der Autor selbst dürfte die Figuren der »Meeresgabe« besser kennen.
Tim Prices Stück handelt von den alt gewordenen eineiigen Zwillingsschwestern Iola und Anest. Erstere droht aufgrund fortschreitender Demenz den Kontakt zur Realität und ihren Lebenswillen zu verlieren. Letztere kann und will sich ein Leben ohne die Schwester nicht vorstellen. Als Anests Tochter Menna durch einen Abschiedsbrief von Iola alarmiert zu den Geschwistern an die walisische Küste reist, findet sie deren Haus verlassen vor. Mit ihrer Jugendfreundin, der Polizistin Gerry, nimmt sie die zum Meer führende Suche auf und setzt damit eine Flut brisanter Fragen in Gang. Darunter auch die des Loslassens vom Leben aus freiem Willen.
Der mit überwiegend politischen Stücken bekannt gewordene Dramatiker Price hat die Kritiker in dem 2012 uraufgeführten Drama nicht nur mit seinem Einfühlungsvermögen in die Situation zweier sterbenswilligen Frauen überrascht. »Meeresgabe« besteche auch durch seine lyrische Sprache und seine Nähe zu den Mythen des schroffen Landes, sagt Regina Busch. Das Stück wird erstmals in Deutschland gespielt, mit Uta Eckhard, Corinna Schnabel, Birte Hebold und Iris Reinhardt Hassenzahl auf der Bühne.