Alles in dieser Inszenierung verweigert sich dem Voyeurismus, in dem es ihn anzieht wie das Licht die Motten. Es herrscht das rätselhafte Dunkel der Nacht, immer, zu jeder Minute. Die Zeit verstreicht nicht sichtbar. Der Schluss ist der Anfang, ein Schuss setzt das Zeichen. Die Szenen spielen sich nicht immaer vor den Blicken der Zuschauer*innen ab, sondern spielen in unausgeleuchteten Winkeln, auf Treppen, die zu unsichtbaren Fluren führen. Man ahnt und hört, aber man sieht nicht. Das befeuert die Neugier auf das, was verborgen bleibt.
Es bleibt im Dunkeln.
Was man sieht, ist ein leerer Glaskasten mit Spiegeln, der auf die dunkle Bühne geschoben wurde. In diesem von Metallpfosten gegliederten Glaskasten spielt sich nun für anderthalb Stunden eine gekürzte »Hedda Gabler« ab, das Drama um eine der rätselhaftesten Frauenfiguren im reichen Frauenspektrum des Henrik Ibsen, von der man eigentlich nie weiß, wer sie sein soll, wer sie ist: Vorreiterin einer noch nicht ausdefinierten Emanzipation – das Stück entstand 1891 – eine boshaft berechnende Zynikerin, die aus welchem Grund auch immer – Liebe war es sicher nicht – eine Ehe mit dem braven Jørgen Tesman eingeht, offenbar ganz unter ihrem Stand –sie die Tochter eines Generals, er wuchs bei seinen Tanten in bescheidenen Verhältnissen auf. Will sie mondän sein und kann es nicht? Will sie Rache üben, weil sie schon zu viele Liebschaften hatte, ohne dass sie geheiratet wurde? Heirat ist ja auch hier der einzige Weg für eine Frau, sich eine gesellschaftliche Stellung zu verschaffen. Wir sehen zu, wie sich Frauen danach verzehren, etwas in dieser Gesellschaft zu bedeuten, doch sie gibt ihnen nur wenige Rollen vor: als Mutter, als Versorgerin, als Muse. Auch die beiden anderen Frauenfiguren im Stück, Tante Juliane und Thea Elvsted, wollen dem Vakuum entfliehen, dass ihnen die Gesellschaft als Lebens-Ort anbietet, einen Ort, in dem sie verschwinden (müssen). Hedda widersetzt sich, in dem sie sich »zu Tode langweilt«, manipuliert, Männer wie Frauen wie Schachfiguren setzt und bewegt, Herrschaft über sie gewinnen will. Diese Frau begehrt die Macht, will die Konsequenz, die sie selbst aber nicht eingeht. Es ist das Unausgesprochene, Unvollendete, das dieses Stück bestimmt.
Und hier ist es auch das Unsichtbare im sonst Sichtbaren. Mateja Kolženik lässt Anna Kubin als Hedda, Tanja Merlin Graf als Thea, Katharina Linder als Tante Juliane, Torsten Flassig als Jørgen Tesman, Peter Schröder als Geheimrat Brack und Andreas Vögler als Eijert Løvborg so spielen, als gäbe es die Zuschauer*innen nicht. Gegen Ende möbliert sie das Glashaus, die Gegenstände verdecken die Personen. Das macht noch neugieriger auf das, was dahinter vorgeht. Das ist ziemlich reizvoll, weil sich viel im eigenen Kopf abspielt, sich die Figuren dort auch zu einer Biografie formen müssen, animiert von einem pulsierenden, sirrenden Klangteppich.
Aber sie tun es nicht auf der Bühne. Hier müssen die Kostüme sprechen: Anna Kubin trägt dünne Spaghettiträger- Satin-Jumpsuits, die ein bisschen so aussehen wie die der Buhlschaften im aktuellen »Jedermann«, Tanja Merlin Graf ein fürchterliches Blaustrumpf-Kostüm, in jeder Epoche fürchterlich, Tante Juliane ein ebenso zeitloses Alte-Tanten-Outfit, Ejlert ein irgendwie modernes T-Shirt, Jørgen einen komischen Kaiser-Wilhelm-Bart. Doch irgendwie: es ist zu wenig, Hedda als moderne Salonlöwin zu zeigen und die anderen als spießig. Am Ende stehen zwei Tote, zwei mit den Pistolen der Generalstochter Hedda Erschossene, und damit ist eine Fallhöhe, eine Geschichte, definiert. Das, was dazwischen liegt an Rätseln, an Unergründlichem, an Konkurrenz, das wird kaum erspielt, nur behauptet.
Wer hier mehr als pure Schablone ist: Peter Schröder genügen ein Wort, ein Tonfall, eine Handbewegung, um seine Figur zu umreißen.
Susanne Asal (Fotos: © Birgit Hupfeld)
Termine: 4., 5., 12.2., 19.30 Uhr
www.schauspielfrankfurt.de