Holy Shit – Oh What a Night!

English Theatre Frankfurt begeistert mit göttlichem »Sister Act«-Musical

Da gilt es an einem Abend, der uns von einem Wunder zum anderen förmlich getragen hat, beim Schlussapplaus noch einmal zu staunen. Die Musik verklingt und ein leibhaftiges Musikerquintett kommt aus dem Off, um sich zu verbeugen Dass da unsichtbar hinter den Kulissen eine veritable Liveband (Leitung: Mal Hall) gut zweeinhalb satte Stunden den Drive und Groove dieser Musical-Formel-1-Produktion diktiert, haben wohl die wenigsten geahnt. Ist aber so. Und sei hier gleich an den Anfang gestellt, weil die Jungs sonst einfach unter Wert gehandelt würden. Ein kurzer Diener, schon sind sie wieder bei den Instrumenten, denn auch zu den Stehenden Ovationen wird auf der Bühne und im Saal im Phillysound gewippt und getanzt.
Und auf diesen kommt es in der Musical-Version des Whoopie-Goldberg-Kultfilms schließlich an. Weil man dessen Motown-Superhits nicht übernehmen konnte oder wollte, hat Alan Menken einen ziemlich retro klingenden Mix aus Gospel, Disco und Philly mit witzig bis schlüpfrigen Texten von Glenn Slater komponiert, und die – nicht wirklich wichtige – Handlung aus Kalifornien in die pennsylvanische Hauptstadt Philadelphia der späten Siebziger verlegt.
Soweit so gut, denn anders als diese Besprechung, braucht die Bühnenfassung des English Theatre keinen langen Anlauf, um schnellstens zur Sache, sprich: vom Nightclub zu den Nonnen zu kommen. Weil die Soulsister Deloris Van Cartier (Kalisha Armaris) zufällig mitkriegt, wie ihr krimineller Lover Curtis (Jonathan Andre) einen Mord begeht, landet sie selbst auf dessen Abschussliste (»I’m Gonna Kill That Girl, I’m Gonna Grill That Girl!«). Verzweifelt flieht sie zur Polizei und wird von dieser nach einer nur mit Lichtern imaginierten tollen nächtlichen Verfolgungsjagd in Sicherheit gebracht. Und zwar dort, wo sie nun wirklich niemand vermutet: in der »Queen of Angels Cathedral«, Heiliger Bimbam und Holy Shit, imkatholischen Kloster.
Die Habits der Glamourqueen kommen freilich bei der moralinsauren Mutter Oberin (Margret Preece) allerdings gar nicht gut an Der steten nie nachlassenden Reibung dieser beiden so konträren Frauen sind die schönsten Dialoge geschuldet. Die göttliche Wunderwende aber kommt mit der Ernennung der Nightcub-Sängerin zur Leiterin des Klosterchores, dessen Sanctus-Sanctus-Dominus-Kanon sich bis dahin wie Bob Dylan im Stimmbruch anhört. Deloris, die nun Sister Marie Clarence heißt, bläut und bluest den Schwestern im Hand- und Fußumdrehen Soul und Rhythmen ein. Das rockt und swingt und klingt im Seventies-Style, als kenne man es seit Jahren. Und reißt dank der großartigen Choreografien, die Regisseur Ewan Jones dieses Top-Ensemble für sein Frankfurt-Debüt einüben ließ, auch im Nu das Publikum mit. Jones‘ Herzensanliegen scheint dabei, das reiche Repertoire liturgischer Gesten zu integrieren. Doch herrscht auch in den Dialogen und im Gesang an Hallelujas und Himmelsschwüren kein Mangel. Im großartigen Programmheft wird sprachkundigen Laien in Glaubens- und Nonnenfragen geholfen.
Ein Prachtwerk ist Stewart J. Charlesworth mit dem Bau der Bühne gelungen. Ein knappes Dutzend bewegbarer deckenhoher Paneele mit verwinkelten Gittermustern versetzt uns passend beleuchtet in Nachtklub, Straßenschluchten oder auch die Kathedrale, deren mit Farbmosaiken übersäte Fenster einem das Gefühl geben, im Kölner Dom vor Herhard Richters Kirchenfenster zu stehen. Was für eine Kulisse für die göttlichen Stimmen und Tänzer, die das Casting im Musical-Mekka London für noch die kleinste Rolle hat ausgraben können. Neben Kalisha Amaris als stimmgewaltiges Powerpaket und Margret Preece glänzen Biancha Szynals zerbrechliche Novizin Marie Robert in den stilleren Phasen des Stücks und natürlich auch Alfie Parkers als am Ende glücklich verliebter, mit Stimm- und Leibesfülle imponierender Polizist »,Sweaty Eddy».
Natürlich geht die Geschichte im alles rockenden Showdown mit Gottes und anderer Mächte Hilfe glücklich aus. Selbst das als Immobilienspekulationsobjekt gefährdete Kloster wird gerettet. Ein gutes Omen hoffentlich für das English Theatre, dessen Zukunft im Basement des an eine Singapurer Investmentgruppe verkauften Gallileo-Turms noch immer offen ist. Besser als mit diesem »Sister Act« lässt sich die Bedeutung der Spielstätte nicht demonstrieren:For Heavenn‘s Sake :The ETF Must Stay!

Winnie Geipert / Foto: © Kaufhold

Bis 2. April: Di.–Sa., 19.30 Uhr; So., 18 Uhr
www.english-theatre.de

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