»Honiggelb« – eine spartenübergreifende Ausstellung im Museum Wiesbadenn

Honigdiebe haben’s schwer, das wusste schon die Antike. Auch wenn man Amor heißt und verbotenerweise in die Honigwaben greift, dann setzt es Stiche. Weswegen Mama Venus dann heftig trösten muss.
Das Kunst-Motiv des weinenden Honigdiebs Amor war für die Philosophie der Renaissance, welche die Antike wiederentdeckte, und des Barocks ein sehr passendes: schnelllebige Lustbefriedigung, und hinterher folgt die Rechnung, Wollust und Strafe als dem Leben anverwandte Einheit. Albrecht Dürer hat das Motiv des göttlichen Honigdiebs zu einem Kupferstich gefasst, Lucas Cranach d. Ä. malte 1527 eine elegisch – zarte Venus mit einem kleinen drallen Amor unter einem Apfelbaum. Und Nicolas Poussin komplettiert in Wiesbaden die Betrachtung antikischer Topoi mit »Jupiter als Kind mit Honig und Ziegenmilch genährt« aus dem Jahr 1639.
Mit diesem Entree beginnt die spartenübergreifende Doppel-Ausstellung »Honiggelb – die Biene in der Kunst von der Renaissance bis zur Gegenwart« und »Die Biene in Natur und Kulturgeschichte«. Mehr Bienenwürdigung geht nicht. Zur Sympathieträgerin des 21. Jahrhunderts haben sie die Kuratoren jetzt erkoren, eine, die dem Klimawandel und der extensiven Landwirtschaft mit ihren Pestizidangriffen auf Leben und Tod ausgesetzt ist – und in der Tat immer mehr verschwindet.
Dabei kann man den Hautflügler gar nicht genug loben, seine Tugenden allegorisch fassen, seine Rollen in allen Aspekten darlegen: nährend, süß, fleißig, sozial, beständig und ein Symbol des Friedens. Dass er auch in außereuropäischen Kulturen mit denselben Eigenschaften identifiziert wurde, erklärt die natur- und kulturgeschichtliche Ausstellung parallel zur kunsthistorischen und öffnet den Blick für die unterschiedlichen Würdigungen – wertvoll war die Biene, war der Honig schon immer.
Bleiben wir zunächst bei der Kunst-Schau, die mit weiten Schritten deren Geschichte durchmisst, immer den Bienen auf der Spur. Sie findet sie übervoll auch in biblischen Bildinhalten, Prophezeiungen sprachen vom »Land, in dem Milch und Honig fließen«. Besonders stolz ist man in Wiesbaden, das Gemälde »Die Honigmadonna« von Morazzone von 1622 präsentieren zu können, ein Musterbeispiel für die Maniera, die auf die Renaissance folgte. Der kleine Jesus ist hier ganz lichtdurchflutete Bewegung, streckt sich auf dem Schoss seiner Mutter neugierig den Gaben entgegen, die zwei Engel ihm reichen: es ist ein mit Veilchenblüten geschmücktes Stück Butter und eine Honigwabe.
War der Honig schon rein, so war es das Wachs natürlich auch: die hier ausgestellten Exponate von Körperteilen stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert und zeigen Wachsabdrücke von Augen und Händen, die zu Votivzwecken hergestellt wurden. Der Weg durch die Kunstgeschichte führt auch zur Biene Maja: Eine kleine Kostbarkeit sind die Scherenschnitt-Illustrationen, die Arthur Schroeter 1927 zur »Biene Maja und ihre Abenteuer« geschaffen hat.
Da das Museum Wiesbaden quasi als Heimat der Rebecca Horn fungiert – kein Museum hat mehr ihrer Exponate als dieses – ist die in Michelstadt geborenen Künstlerin mit einer raumgreifenden Installation vertreten. »Bee’s Planetary Map« entstand 1998 und fügt sich zu einem multiperspektivischen Kunstwerk aus Licht, verschiedenen Objekten und einer Tonspur zusammen. 21 umgedrehte Bienenkörbe baumeln von einer tiefgehängten Decke, und aus ihnen bricht Licht, das sich in auf dem Boden angebrachten Spiegeln reflektiert. Die Lichtflecke scheinen zu schweben, gleichzeitig ist Bienengesumm zu hören, so dass man fast annehmen könnte, die Lichtflecken würden es erzeugen. Doch die Bienenkörbe sind leer – Rebecca Horns früher Protest gegen die Umweltzerstörung. Darum geht es auch bei den Arbeiten von Joseph Beuys. Seine für die documenta 6 im Jahr 1977 geschaffene Rauminstallation dehnte sich über das gesamte Fridericianum und bestand u.a. aus Stahlrohren, Stromkabeln, mit einer von Schiffsmotoren angetriebenen Kupferwalze. Durch dieses System von Schläuchen und Rohren pulsierte mit Wasser verdünnter Honig. Parallel dazu fanden über 100 Tage Diskussionen zu Umweltthemen statt. All dies ist dokumentiert auf einer von Beuys herausgegebenen Postkartenserie, die zusammen mit Aufnahmen der Installation hier zu sehen sind.
Umwelt: unter dieses globale Thema könnte man auch die Inhalte der zweiten, der natur- und kulturkundlichen Ausstellung subsumieren. Doch zunächst wird auf der Zeitschiene gereist: die ältesten Nachweise der Bienen finden sich in spanischen Höhlenmalereien, aber auch auf nigerianischen, und in den Pharaonenreichen Altägyptens wurde der heilige Honig auch als Mittel zur Einbalsamierung verwendet. Bienen aus Gold galten Herrschern vom Childerich bis zu Napoleon als Symbol königlicher Macht.
Sein Ruhm führt ihn über die Kontinente. Für die Mbuti im Kongo stellte Honig die wichtigste Nahrung überhaupt dar. Wie allgegenwärtig das Honigsammeln überall auf dem Erdball ist, verdeutlichen Aufnahmen von außergewöhnlich gestalteten Bienenstöcken aus Argentinien, Belarus, Ruanda, Indien, Burundi und Bayern. Und wer sich einmal an einem Bienentanz versuchen will: Schrittanleitung und Filmbeispiele helfen einem da auf die Sprünge.

Susanne Asal
Foto: Hans Thoma, Der Bienenfreund, 1863, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe/CC0
Bis 22. Juni: Di., Mi., Fr., Sa. und So., 10–17 Uhr; Do., 10–21 Uhr
www.museum-wiesbaden.de

 

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