Großes Familien-Theater
»Im August in Osage County« von John Wells
Heiß ist es im Sommer in Oklahoma. Die schwer erträgliche Schwüle hat die Frauen der Weston-Familie hart gemacht. Hart und unerbittlich. In der weiten Landschaft kann man über die flachen Felder bis zum Horizont schauen. Doch es kommt kein Gefühl der Freiheit auf, es geht ums Überleben. Man flüchtet in die Häuser, und da wird es eng, vor allem, wenn noch alte Rechnungen offen sind.
Der Film »Im August in Osage County« beruht auf einem Theaterstück von Tracy Letts, der auch selbst das Drehbuch geschrieben hat, und er verbirgt seine Herkunft nicht. Es geht sehr wortgewandt zu, manchmal hört man förmlich die Bühnenbretter knarren, obwohl in einem realen, von der Filmcrew gekauften Haus in Oklahoma gedreht wurde. Was man sich im Theater vorstellen muss, das weite Land, in dem sich alles abspielt, kann Regisseur John Wells im Film ausgiebig zeigen. So fügt er dem Geschehen durch die Außenaufnahmen ein neue Dimension hinzu.
Film und Theaterstück drehen sich um eine in bester amerikanischer Bühnentradition schwer angeschlagene Familie. Doch diesmal ist nicht der ›pater familias‹ der schwer erträgliche Tyrann. Der alte »Bev« Weston (Sam Shepard) ist einer der verträglichsten unter den Protagonisten. Der sympathische Senior segnet schon bald das Zeitliche. Vermutlich war es Selbstmord, vermutlich konnte er seine Ehefrau Violet (Meryl Streep) nicht mehr ertragen.
Bevs Beerdigung bietet jedenfalls den Anlass, zu dem die Familie wieder zusammenkommt. Weil sich einige Mitglieder des Clans bewusst aus dem Weg gegangen sind, stehen einige ungelöste Probleme im Raum. Und weil Witwe Violet auf Krawall gebürstet ist, kommen sie nacheinander auf den Tisch ihres Hauses. Es beginnt beim großen Festmahl nach der Beerdigung, zu dem sich Violet, bevor sie ihre erwachsenen Töchter, ihre Schwester und die zugehörigen Männer anpöbelt, erst einmal eine Zigarette anzündet. Keiner wagt es, sich zu beschweren. Die Einzige, die im Verlauf zurückschießt, ist Tochter Barbara (Julia Roberts).
Sicherlich hat man sowohl Julia Roberts als auch Meryl Streep schon in wenig glamourösen Rollen gesehen, aber solch eine Vorstellung von Verbitterung, Hass und Hässlichkeit kommt dann doch unerwartet.
Streeps Violet ist von Mundkrebs gezeichnet. Ihre kurzen, dünnen Haare lassen auf eine Chemo- oder Strahlentherapie schließen. Bisweilen läuft sie mit einer Perücke herum, die sie aber auch nicht hübscher macht. Sie steht permanent unter Drogen, zuerst um die Schmerzen zu bekämpfen, später weil sie ohne die Tabletten nicht mehr zurecht kommt (und mit ihnen auch nicht). Ihr Mann ist neben seiner tablettensüchtigen Frau zum Alkoholiker geworden.
Die von Julia Roberts mitreißend gespielte Barbara, die nach langer Zeit ins Elternhaus zurückkehrt, könnte eine ganz patente Frau sein, wenn sie nicht diesen verhärmten Zug in ihrem Gesicht hätte. Aber auch die anderen Personen, Barbaras Schwestern, der Onkel und die Tante, sind frustriert bis dorthinaus. Wie sie aneinandergeraten, wie sie ihre Wunden lecken, das ist mitreißendes Schauspieler-Kino oder, wenn man so will, großes Familien-Theater.