Internationale Maifestspiele: Wenig Theater, dafür aber Hochkaräter im Programm

Giuseppe Verdis großes Fazit aus seinem Letztwerk »Falstaff« passt glänzend nicht nur in die Zeit: »Die Welt ist verrückt geworden« lässt sich auch auf die Internationalen Maifestspielen 2024 beziehen. Es ist die letzte von Uwe Eric Laufenberg als Intendant aufbereitete Ausgabe des jährlichen Höhepunkts der Wiesbadener Theatersaison und zugleich die erste ohne den zwischenzeitlich seines Amtes enthobenen Zampano der Künste.
Die Künste des Schauspiels, so muss man leider vermerken, standen für dieses Jahr nicht im Zentrum der Bemühungen. Von den namhaften deutschen Bühnen ist ganz allein das Berliner Ensemble (BE) vertreten – mit einem Liederabend, auf den man sich aber freuen darf. Denn erstens bietet die Show unter dem Titel »Fremder als der Mond« intonierte Texte von Bertolt Brecht zu Eisler-Musik, zweitens deren begnadete Interpretation durch die Star-Chanteuse Katharine Mehrling und drittens das Regierevirement des Intendanten Oliver Reeses. Unterstützt wird der Star aus der Musical-Szene vom wunderbaren Paul Herwig (!), Adam Benzwi, Karola Elßner, Ralf Templin und Otwin Zipp. Mein begeisterter Kollege Walter H. Krämer jedenfalls empfiehlt den Abend im Online-Magazin »Faust« mit einem »unbedingt!«. (Termine 6., 7. Mai, 19.30 Uhr)
Genretechnisch nicht weit davon entfernt siedelt die Performance »Jedermann Reloaded« von Philipp Hochmair und seiner Band »Die Elektrohand Gottes«, auch wenn hier ein »Körperterrorist«, so der Theaterverlag, den Pakt mit dem Teufel in Hugo von Hofmannsthals großes Mysterienspiel eingeht. Das Wiener Bühnenvollblut übernimmt in diesem »Spiel vom Sterben des reichen Mannes«, alle Rollen, überträgt diese allerletzte Reise eines von der Gier nach Geld und Genuss Getriebenen aber, ohne den Text zu verraten oder infrage zu stellen, hochtourig und von einem eigenem Soundtrack getrieben in die Gegenwart. (Termin: 2. Mai, 19.30 Uhr)
Sprechtheaterkunst gibt es auch von Devid Striesow zu erleben, einem weiteren enfant terrible des Theaters. Allerdings nicht alleine: Den vielfach auf der Bühne aufbereitete Roman »Die Blechtrommel«, uns fällt da sofort das Solo mit Niko Holonics ein, wird Striesow mit dem Hamburger Musiker Stefan Weinzierl als Spektakel für Stimme und Schlagzeug präsentieren. Wer die Vorstellung der beiden im Mousonturm versäumt hat, kriegt jetzt eine neue Chance. Und wer nicht, eben die erneute. (Termin: 5. Mai, 18 Uhr)
Auf dem Spielplan findet sich außerdem als Perle ein zwar nicht sehr gängiges und zudem in englischer Sprache präsentiertes faszinierend nebulöses Theaterstück des Franzosen Bernard-Marie Koltès. »In the Solitude of Cotton Fields« lautet der wörtlich übersetzte Titel der aus Riga kommenden Produktion des russischen Regisseurs Timofey Kuljabin, in der zwei Menschen in wechselseitiger sich dramatisierenden Prüfung einen Handel austarieren, ohne dass man in 70 dichten Minuten erfährt, um was es dabei geht. Der große Bahnhof hier bleibt den beiden Darstellern vorbehalten, die mitten im Stück die Rollen tauschen. Der litauische Schauspielerin Ingeborga Dapkunaite und keinen Geringeren als ihren USamerikanischen Kollegen John Malkovich, den man wohl schon jetzt den Status einer Hollywood-Legende zusprechen darf. (Termine: 11. Mai, 19.30 Uhr; 12. Mai 16 Uhr und 20 Uhr)

Winnie Geipert / Foto: Philipp Hochmair in »Jedermann Reloaded«, © Stephan Brückler
www.staatstheater-wiesbaden.de

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