Vom Frauenversteher
In einer Zeit, in der Filmemacherinnen um die Frauenquote kämpfen, hat Mike Mills einen Film geschrieben und inszeniert, der gut und gerne als so etwas wie ein »Frauenfilm« durchgehen kann. Er habe sich beim Verfassen des Drehbuchs an seine Mutter und die Frauen erinnert, die ihn in seiner Kindheit entscheidend geprägt haben, gibt Mills zu Protokoll. Dass der Film stark autobiografische Züge trägt, sieht man ihm sofort an.
Denn neben den drei starken Frauen, die mit dem Titel gemeint sind, ist eine der Hauptfiguren der Teenager Jamie (Lucas Jade Zumann), der sich gegen geballte Weiblichkeit behaupten muss. Diese kommt besonders von seiner Mutter Dorothea (Annette Bening), die ihren Sohn im stattlichen Alter von 40 Jahren bekommen hat – zu alt, wie man damals meinte. Dorothea hat das vermeintliche Defizit mit Lebensklugheit und unkonventionellem Selbstbewusstsein ausgeglichen. Seitdem sich auch noch ihr Ehemann aus dem Staub gemacht hat, zählt Dorothea zu den allein erziehenden Müttern – im Kalifornien der 70er Jahre noch nicht allzu oft anzutreffen. Sie fühlt sich verpflichtet, für Jamie, der ihr mit seinen 15 Jahren, also mitten in der Pubertät, ein Rätsel nach dem anderen aufgibt, einen Vaterersatz zu suchen.
Ihn glaubt sie in zwei jungen Frauen gefunden zu haben: der Punk-Fotografin Abbie (Greta Gerwig), die als Untermieterin in Dorotheas alten Holzhaus in Santa Barbara wohnt, und der 17-jährigen Nachbarin Julie (Elle Fanning), die schon im Kindergarten mit Jamie kameradschaftlich verbunden war. Dabei böte sich der Untermieter William (Billy Crudup), der ein weiteres Zimmer in Dorotheas Haus bewohnt und alle anfallenden Reparatur- und Renovierarbeiten ausführt, als Ersatzvater an. Doch der beschäftigt sich lieber mit Dorothea.
Frauenversteher Mills hat für seinen Film ein überzeugendes Figurenensemble zusammengestellt, das bei den diversen Irrungen und Wirrungen zu beobachten einen Heidenspaß bereitet. Zugleich beschreibt er das Jahr 1979 und seine politischen Veränderungen, zu denen beispielsweise die Islamische Revolution im Iran und das Geiseldrama in der Teheraner US-Botschaft zählen. Im Film zeugt davon ein Ausschnitt aus der landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache von Präsident Jimmy Carter, in der er den wachsenden Materialismus kritisiert und davor warnt, dass die menschliche Identität nicht mehr durch das definiert wird, was man tut, sondern durch das, was man besitzt.
Es sind prophetische Worte, und man denkt mit Respekt an diesen Präsidenten zurück, der als zu nachgiebig und zu weich für sein Amt in Erinnerung geblieben ist. Mills wirft in seinem intelligenten und höchst vergnüglichen Film »Jahrhundertfrauen«, im Original »20th Century Women« – der Titel klingt in beiden Fällen etwas zu großspurig– einen Blick zurück auf eine Zeit, in der noch eine optimistische Grundstimmung herrschte, die wir mittlerweile leider verloren haben.