Jugendkulturkirche Sankt Peter: »Fack ju Henry« erzählt vom Leben und Sterben junger Menschen mit Krebs

Zwischen Süß- und Sauerstoff

Der Titel klingt nach »Fack ju Göhte«, und soll es wohl auch. Damit hat es sich aber auch schon. »Fack ju Henry – oder das Funkeln von Sternenstaub« handelt von krebskranken Teens und ist frei nach dem Bestseller von John Green »Das Schicksal ist ein mieser Verräter« verfasst – von Lucia Primavera und der Regie führenden Sarah Kortmann. Sehr frei übrigens: Henry kommt bei Green gar nicht vor, sondern ist dem Internet-Blog fuck-off-henry.de entnommen. Die Berlinerin Janina hat den handballgroßen Tumor, der bei ihr entdeckt wurde, mit Namen zum Gegner gemacht. Bei Hazel, die hier ihre Liebesgeschichte mit Augustus erzählt,  hat sich Henry in der Schilddrüse festgebissen und ihre Lunge ruiniert. Er ist dran schuld, dass Hazel immer einen Sauerstoff-Buggie mit sich herumschleppen und durch Nasenschläuche atmen muss.
John Green findet für seine jungen Figuren eine fern von Larmoyanz siedelnde authentische Sprache mit Witz und Geist und bisweilen bösem schwarzen Humor. Hazel betrachtet ihre Krankheit, aber auch das Leben selbst als bloße Nebenwirkung der Evolution, und sorgt sich am meisten darüber, dass ihr Tod große Wunden bei denen schlagen wird, die sie zurück lassen muss. Die meisten kennen das Buch, viele den sehr hollywoodig  geratenen Film, für den in manchen Kinos Tempotaschentücher verteilt wurden.
Der Plot: Hazel lernt in der Selbsthilfegruppe Augustus (Knochenkrebs) kennen und verliebt sich in ihn, weil er tolle Augen hat, aber auch weil er ihr Lieblingsbuch, das eine Krebsgeschichte behandelt, gut findet. Die beiden Fans beschließen, den Autor zu besuchen. Im Roman reisen sie von Indianapolis nach Amsterdam, im Theater St. Peter von Frankfurt nach Paris – hier wie da mit dramatischen Folgen.
Gespielt wird auf einem rasengrün ausgelegten Bühnenparkett mit mausgrauen Sitz- und Hocke-Kissen, die von Lampen umsäumt sind und wie kleine Felsformationen anmuten. Marlene Zimmer, die als Ich-Erzählerin auch immer wieder aus ihrer Rolle tritt, öffnet ihrer Liebe und Wut, Sorge und Glück durchlebenden Hazel ein weites Gefühlsspektrum, wie man es sich glaubwürdiger nicht vorstellen kann. Sie ist es denn auch, die im Schulterschluss mit dem famosen Julian König die Inszenierung stemmt. Der Gaststar der Dramatische Bühne bestreitet alle Nebenrollen von Hazels Mutter bis zum Leiter der Selbsthilfegruppe und gibt jeder Figur stimmlich und gestisch eine – wenn auch meist nur humorige – eigene Präsenz. Janning Sobotta versieht seinen Alexander mit einem Schuss sympathischer Linkigkeit, Marius Schneider schickt Alexanders erblindenden Kumpel Isaak in die Gefühlsextreme, und Brigitte Korn legt eine schrille Performance als alkoholsüchtiger Autor aufs Parkett.
Eine gelungene Inszenierung, die sehr gut daran tut, Greens effekthascherische Idee mit dem Anne-Frank-Haus durch eine Ortsverlegung aus dem Wege zu gehen. Die Stadt der Liebe ist zwar Klischee, aber doch kompliziert genug.

gt (Foto: © Niko Neuwirth)
Termin: 5. März, 16 Uhr
www.sanktpeter.com

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